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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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trägt es mit sich, damit man ihn wie Cato niemals gefangennehmen kann.«
    Der König der Diebe jedoch setzte seine Ansprache mit der gleichen gefährlichen Höflichkeit fort. »Mir bleibt noch übrig«, sagte er, »meinen Gästen jene gesellschaftlichen Umstände zu erklären, unter denen ich das Vergnügen habe, sie bei mir zu empfangen. Ich brauche mich nicht über das seltsame alte Ritual des Lösegeldes auszulassen, das aufrechtzuerhalten mir obliegt; und selbst das betrifft nur einen Teil der Gesellschaft. Hochwürden Father Brown und den berühmten Signor Muscari werde ich morgen im Morgengrauen freilassen und zu meinen Vorposten geleiten lassen. Poeten und Priester besitzen, wenn Sie mir bitte die Direktheit meiner Rede verzeihen, niemals Geld. Und deshalb (da es denn unmöglich ist, aus ihnen etwas herauszuholen) wollen wir die Gelegenheit wahrnehmen und unsere Bewunderung für die klassische Literatur und unsere Hochachtung vor der Heiligen Kirche bezeugen.«
    Er hielt mit einem unerfreulichen Lächeln inne; und Father Brown blinzelte ein paarmal zu ihm herüber und schien dann plötzlich mit großer Aufmerksamkeit zu lauschen. Der Räuberhauptmann nahm das große Blatt Papier von seinem Räuberdiener entgegen und fuhr, indem er es überflog, fort: »Meine anderen Absichten werden in diesem öffentlichen Dokument, das ich gleich herumgehen lasse, in aller Deutlichkeit klargestellt; danach wird es in jedem Dorf im Tal und an jeder Kreuzung im Gebirge an Bäume angeschlagen. Ich will Sie nicht mit dem Wortlaut langeweilen, da Sie ihn überprüfen können; das Wesentliche meiner Proklamation ist dies: Ich gebe zunächst bekannt, daß ich den englischen Millionär, den Giganten des Finanzwesens, Mr. Samuel Harrogate, gefangengenommen habe. Alsdann gebe ich bekannt, daß ich bei ihm Noten und Wertpapiere für 2000 Pfund gefunden habe, die er mir übergeben hat. Nun wäre es höchst unmoralisch, einen solchen Vorgang einem gläubigen Publikum zu verkünden, wenn er nicht stattgefunden hat, weshalb ich anrege, daß er ohne weitere Verzögerung stattfinden sollte. Ich rege an, daß Mr. Harrogate senior mir nun die 2000 Pfund aus seiner Tasche übergebe.«
    Der Bankier sah ihn unter zusammengezogenen Brauen an, rotgesichtig und mürrisch, aber offenbar eingeschüchtert. Jener Sprung aus der stürzenden Kutsche schien seine letzte Männlichkeit aufgezehrt zu haben. Er hatte sich wie ein geprügelter Hund zurückgehalten, als sein Sohn und Muscari einen kühnen Vorstoß versucht hatten, um aus der Falle der Banditen auszubrechen. Und nun hob sich seine rote und zitternde Hand zögerlich zu seiner Brusttasche und übergab dem Banditen ein Bündel Papiere und Umschläge.
    »Ausgezeichnet!« rief jener Gesetzlose fröhlich; »bisher geht alles höchst angenehm. Ich komme also zu den Punkten meiner Proklamation zurück, die in Kürze in ganz Italien veröffentlicht wird. Der dritte Punkt ist der des Lösegeldes. Ich fordere von den Freunden der Familie Harrogate ein Lösegeld von 3000 Pfund, was gegenüber dieser Familie gewiß schon fast eine Beleidigung wegen der bescheidenen Einschätzung ihrer Bedeutung ist. Wer würde denn nicht das Dreifache dieser Summe für einen weiteren Tag in diesem häuslichen Kreise zahlen? Ich will Ihnen nicht verhehlen, daß das Dokument mit gewissen juristischen Phrasen endet über jene unerfreulichen Dinge, die sich ereignen könnten, wenn das Geld nicht bezahlt wird; aber in der Zwischenzeit lassen Sie mich, meine Damen und Herren, versichern, daß ich hier ausreichend mit den nötigsten Bequemlichkeiten sowie mit Wein und Zigarren versorgt bin und Ihnen für den Augenblick mit den Genüssen des Paradieses der Diebe den Willkomm eines Sportsmannes entbiete.«
    Während der ganzen Zeit seiner Ansprache hatten sich zweifelhaft aussehende Männer mit Karabinern und speckigen Schlapphüten schweigend in so überwältigender Menge versammelt, daß selbst Muscari die Hoffnungslosigkeit seines Ausfalls mit dem Schwerte einzusehen gezwungen war. Er blickte sich um; aber das Mädchen war bereits hinübergegangen, um ihren Vater zu trösten und es ihm bequem zu machen, denn ihre natürliche Zuneigung zu seiner Person war ebenso stark, wenn nicht stärker als ihr etwas hochnäsiger Stolz auf seinen Erfolg. Muscari bewunderte diese töchterliche Ergebenheit und wurde doch in der Unlogik des Liebenden durch sie irritiert. Er stieß sein Schwert in die Scheide zurück und warf sich selbst

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