Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
anzuzünden, während die Schönheit sich mit dem Bankier, dem Reiseführer und dem Poeten zurückzog und Glockentöne silbriger Satire um sich streute. Etwa zur gleichen Zeit erhoben sich die beiden Priester in der Ecke; der größere, ein weißhaariger Italiener, verabschiedete sich. Der kleinere Priester wandte sich um und ging auf den Bankierssohn zu, und diesen erstaunte es festzustellen, daß jener, obwohl katholischer Priester, doch Engländer war. Er konnte sich schwach erinnern, daß er ihm bei gesellschaftlichen Veranstaltungen einiger seiner katholischen Freunde bereits begegnet war. Aber ehe seine Erinnerungen sich noch sammeln konnten, sprach der Mann ihn an.
»Mr. Frank Harrogate, nehme ich an«, sagte er. »Ich bin Ihnen zwar schon vorgestellt worden, will mich darauf aber nicht berufen. Das Eigenartige, was ich zu sagen habe, kommt besser von einem Fremden. Mr. Harrogate, ich will nur ein Wort sagen und dann gehen: Nehmen Sie sich Ihrer Schwester in ihrem großen Schmerz an.«
Selbst für Franks wahrhaft brüderliche Gleichgültigkeit schienen Glanz und Übermut seiner Schwester noch zu strahlen und zu klingen; er konnte ihr Lachen noch aus dem Hotelgarten hören, und so starrte er seinen düsteren Ratgeber nur verwirrt an.
»Meinen Sie die Banditen?« fragte er; und dann erinnerte er sich unbestimmter eigener Befürchtungen. »Oder denken Sie etwa an Muscari?«
»Man denkt niemals an den wahren Schmerz«, sagte der seltsame Priester. »Man kann nur liebevoll sein, wenn er kommt.«
Und damit verließ er den Raum, und ließ den anderen sozusagen mit offenem Munde zurück.
Ein oder zwei Tage danach kroch und rüttelte tatsächlich eine Kutsche mit der ganzen Gesellschaft die Ausläufer der bedrohlichen Bergkette hinan. Zwischen Ezzas heiterer Verneinung der Gefahr und Muscaris prahlerischer Verachtung, war die Finanzfamilie fest bei ihrem ursprünglichen Plan geblieben; und Muscari ließ seine Bergreise mit der ihren zusammenfallen. Überraschender war da schon das Auftauchen des kleinen Priesters aus dem Restaurant, der in der Station der Küstenstadt zustieg; er deutete lediglich an, daß auch ihn Geschäfte zwängen, das Gebirge zu überqueren. Aber der junge Harrogate konnte gar nicht anders, als seine Gegenwart mit den geheimnisvollen Ängsten und Warnungen vom Vortag in Verbindung zu bringen.
Die Kutsche war eine Art bequemer Waggonette, erfunden von den modernistischen Talenten des Reiseführers, der die Expedition mit seiner wissenschaftlichen Betriebsamkeit und seinem unbeschwerten Witz beherrschte. Der Gedanke an eine Gefährdung durch Räuber ward aus Gedanken und Gespräch verbannt; obwohl gewissermaßen formell dergestalt anerkannt, daß gewisse Schutzmaßnahmen ergriffen waren. Der Reiseführer und der junge Bankier führten geladene Revolver mit sich, und Muscari hatte sich (mit lebhaftem Lausbubenspaß) unter seinem schwarzen Umhang eine Art Hirschfänger umgeschnallt.
Er hatte seine Person mit fliegendem Sprung neben die liebliche Engländerin gepflanzt; auf ihrer anderen Seite saß der Priester, dessen Name Brown und der selbst glücklicherweise eine schweigsame Person war; Reiseführer und Vater und Sohn saßen auf der hinteren Bank. Muscari war in überschäumender Laune, und da er selbst ernsthaft an die Gefahren glaubte, hätte seine Unterhaltung mit Ethel sie leicht dazu bringen können, ihn für einen Irren zu halten. Aber da war etwas an diesem verrückten und überwältigenden Aufstieg zwischen Klippen wie Bergkuppen, die mit Wäldern wie Obsthaine bedeckt waren, das ihren Geist gemeinsam mit dem seinen in purpurn bizarre Himmel voll kreisender Sonnen emporsog. Die weiße Straße klomm empor wie eine weiße Katze; sie überspannte sonnenlose Abgründe wie das straff gespannte Seil von Seiltänzern; sie war um ferne Vorgebirge geschleudert wie ein Lasso.
Doch wie hoch auch immer sie kamen, überall blühte die Einöde wie eine Rose. Die Felder flammten in Sonne und Wind in den Farben von Eisvogel und Papagei und Kolibri; den Schattierungen von hundert blühenden Blumen. Es gibt keine lieblicheren Wiesen und Wälder als die englischen, keine erhabeneren Grate und Klüfte als die von Snowdon und Glencoe. Ethel Harrogate aber hatte niemals zuvor südliche Gärten auf die Zacken nördlicher Bergspitzen gespreitet gesehen; die Klamm von Glencoe beladen mit den Früchten von Kent. Nichts war hier von jener Kälte und Verlassenheit, die man in England mit wilder Bergwelt
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