Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
improvisierte Bühne oder eine natürliche Pergola; es ist die Szenerie einer romantischen Komödie; es ist wie…«
Als die Worte des kleinen Priesters sich in die Länge zogen und in einer stumpfen und träumerischen Ernsthaftigkeit verloren, hörte Muscari, dessen animalische Sinne wachsam und ungeduldig waren, ein neues Geräusch im Gebirge. Selbst für ihn war der Klang noch sehr schwach und leise; aber er hätte schwören können, daß die Abendbrise etwas wie das Hämmern von Pferdehufen und fernes Hallogeschrei mit sich brachte.
Im gleichen Augenblick, und lange bevor die Vibrationen die weniger erfahrenen englischen Ohren erreichten, rannte Montano der Bandit den Hang über ihnen hinauf, faßte in der zerbrochenen Hecke Posten, lehnte sich an einen Baum und starrte die Straße hinab. Er gab da oben eine eigentümliche Figur ab, denn als König der Banditen hatte er sich einen phantastischen Schlapphut und ein schaukelndes Wehrgehänge mit Hirschfänger beigelegt, aber der grelle prosaische Tweed des Reiseführers schimmerte doch überall durch.
Im nächsten Augenblick wandte er sein olivfarbenes, höhnisches Gesicht um und machte eine Bewegung mit der Hand. Die Banditen zerstreuten sich auf das Signal hin, nicht in Verwirrung, sondern in einer offenkundigen Art von Guerrilla-Disziplin. Statt aber die Straße entlang des Höhenkamms zu besetzen, verteilten sie sich an ihr entlang hinter den Bäumen und der Hecke, als beobachteten sie ungesehen einen Feind. Das Geräusch wurde nun immer stärker und begann, die Bergstraße zu erschüttern, und eine Stimme konnte deutlich gehört werden, wie sie Befehle erteilte. Die Banditen wurden unruhig und liefen durcheinander, sie fluchten und flüsterten, und die Abendluft war voller leichter metallischer Geräusche, als sie ihre Pistolen spannten oder ihre Messer zückten oder mit ihren Scheiden über die Steine schleiften. Dann begegneten sich die Geräusche von beiden Seiten oben auf der Straße; Zweige brachen, Pferde wieherten, Menschen riefen.
»Entsatz!« schrie Muscari, sprang auf die Füße und schwang seinen Hut. »Die Gendarmen sind über ihnen! Jetzt für die Freiheit, und schlagt gut zu! Jetzt seid Rebellen gegen die Räuber! Los doch, laßt uns nicht alles der Polizei überlassen; das ist so schrecklich modern. Fallt den Schurken in den Rücken. Die Gendarmen retten uns; auf denn, Freunde, laßt uns die Gendarmen retten!«
Und damit schleuderte er seinen Hut über die Bäume, zog erneut seinen Hirschfänger und begann, den Anhang zur Straße hinauf zu erklimmen. Frank Harrogate sprang auf und rannte, den Revolver in der Faust, hinüber, um ihm beizustehen, fand sich aber zu seinem Erstaunen gebieterisch von der rauhen Stimme seines Vaters zurückgerufen, der in heftiger Erregung war.
»Ich will das nicht«, sagte der Bankier mit erstickender Stimme; »ich befehle dir, dich nicht einzumischen.«
»Aber Vater«, sagte Frank hitzig, »ein italienischer Gentleman geht voran. Du wirst doch nicht wollen, daß man sagt, die Engländer seien zurückgeblieben.«
»Nutzlos«, sagte der ältere Mann, der heftig zitterte, »es ist nutzlos. Wir müssen uns unserem Schicksal beugen.«
Father Brown sah den Bankier an; dann legte er die Hand instinktiv wie auf sein Herz, in Wirklichkeit aber auf die kleine Giftflasche; und eine große Helligkeit kam in sein Antlitz wie jene Helligkeit, durch die sich der Tod ankündigt.
Muscari hatte inzwischen, ohne weiter auf Hilfe zu warten, den Straßenrand erklommen und schlug dem Banditenkönig so hart auf die Schulter, daß der stolperte und herumschwang. Auch Montano hatte seinen Hirschfänger aus der Scheide gezogen, und Muscari führte, ohne weitere Worte, einen Hieb nach jenes Kopf, den er abfangen und parieren mußte. Aber noch während die beiden kurzen Klingen sich kreuzten und aneinander klangen, senkte der König der Diebe absichtlich seine Spitze und lachte.
»Was soll denn das, alter Junge?« sagte er in gutgelauntem italienischem Slang. »Diese verdammte Farce ist gleich vorbei.«
»Was meinst du damit, du Ränkeschmied?«, keuchte der feuerfressende Poet. »Ist dein Mut ebenso Betrug wie deine Ehre?«
»Ich bin insgesamt Betrug«, antwortete der Ex-Reiseführer in der besten Laune. »Ich bin ein Schauspieler; und wenn ich jemals einen privaten eigenen Charakter hatte, dann habe ich den längst vergessen. Ich bin ebensowenig ein echter Bandit, wie ich ein echter Reiseführer bin. Ich bin nur ein Bündel
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