Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
Masken, und mit dem kannst du kein Duell fechten.« Und er lachte mit bübischem Vergnügen und fiel wieder in seine alte breitbeinige Haltung zurück und wandte dem Gefecht auf der Straße den Rücken zu.
Dunkelheit nahm unter den Bergwänden zu, und es war nicht leicht, etwas von dem Fortgang des Gefechtes zu erkennen, abgesehen davon, daß hochgewachsene Männer die Nüstern ihrer Pferde durch eine zusammenhaltende Masse Banditen drängten, die allem Anschein nach eher dazu neigten, die Angreifer zu belästigen und zu beschubsen als sie zu töten. Es gemahnte eher an eine Menschenmenge in der Stadt, die der Polizei den Weg verlegen will, als an jenes Bild vom letzten Gefecht eines verlorenen Haufens blutrünstiger Verbrecher, wie es sich der Dichter nur immer ausgemalt hatte. Aber als er gerade begann, seine Augen vor Verwunderung zu verdrehen, fühlte er eine Berührung am Arm und fand den sonderbaren kleinen Priester wie einen kleinen Noah mit einem großen Hut dastehen, der um ein kurzes Gespräch bat.
»Signor Muscari«, sagte der Kleriker, »in dieser eigenartigen Krise sei mir eine gewisse Vertraulichkeit gestattet. Ich möchte Ihnen, ohne Ihnen nahezutreten, einen Rat geben, wie Sie mehr Gutes tun können als dadurch, daß Sie den Gendarmen helfen, die auf jeden Fall siegen werden. Vergeben Sie mir die zudringliche Intimität; aber bedeutet Ihnen das Mädchen etwas? Genug, um Sie zu heiraten und ihr ein guter Ehemann zu sein?«
»Ja«, sagte der Dichter einfach.
»Bedeuten Sie ihr etwas?«
»Ich glaube ja«, war die ebenso ernsthafte Antwort.
»Dann gehen Sie zu ihr und bitten sie um ihre Hand«, sagte der Priester. »Bieten Sie ihr alles, was Sie haben; bieten Sie ihr Himmel und Erde, wenn Sie die besitzen. Die Zeit ist knapp.«
»Warum?« fragte der erstaunte Mann der Feder.
»Weil«, sagte Father Brown, »ihr Schicksal die Straße heraufkommt.«
»Nichts kommt die Straße herauf«, erklärte Muscari, »außer der Rettung.«
»Los doch, gehen Sie zu ihr«, sagte sein Ratgeber, »und halten Sie sich bereit, sie vor den Rettern zu retten.«
Fast noch während er sprach, brachen überall den ganzen Kamm entlang die flüchtenden Banditen jählings durch die Hecken. Sie tauchten in Gebüsche und dichtes Gras, wie geschlagene Männer, die verfolgt werden; und man sah die hohen Federhüte der berittenen Gendarmerie oben an der niedergebrochenen Hecke entlangziehen. Ein anderer Befehl ward gegeben; es erklangen die Geräusche des Absitzens, und ein hochgewachsener Offizier mit Federhut und grauem Kaiserbart und einem Papier in der Hand erschien in der Lücke, die das Portal zum Paradies der Diebe war. Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, das in ungewöhnlicher Weise durch den Bankier gebrochen wurde, der mit rauher und erstickender Stimme schrie: »Beraubt! Ich bin beraubt worden!«
»Was denn, das war doch schon vor Stunden«, rief sein Sohn erstaunt, »als man Dir 2000 Pfund raubte.«
»Nicht 2000 Pfund«, sagte der Finanzier in jäher und schrecklicher Gefaßtheit, »nur ein kleines Fläschchen.«
Der Polizist mit dem grauen Kaiserbart strebte über die grüne Mulde. Als er auf seinem Weg dem König der Diebe begegnete, schlug er ihm mit einer Mischung von Zärtlichkeit und Grobheit auf die Schulter und gab ihm einen Stoß, der ihn beiseite taumeln ließ. »Du wirst auch noch Schwierigkeiten bekommen«, sagte er, »wenn du weiter solche Spiele spielst.«
Und wieder erschien das Muscaris Künstlerauge keineswegs wie die Festnahme eines großen niedergehetzten Gesetzlosen. Der Polizist schritt weiter, hielt dann vor der Harrogate-Gruppe inne und sagte: »Samuel Harrogate, ich verhafte Sie im Namen des Gesetzes wegen Unterschlagung der Gelder der Hull & Huddersfield-Bank.«
Der große Bankier nickte in einer sonderbaren Art geschäftsmäßiger Zustimmung, schien einen Augenblick nachzudenken, wandte sich halb um und tat, bevor sich jemand einmischen konnte, einen Schritt, der ihn an den Rand der äußeren Bergwand brachte. Dann warf er die Hände hoch und sprang, genau so wie er aus der Kutsche gesprungen war. Aber dieses Mal fiel er nicht auf eine gerade darunter liegende kleine Wiese; er fiel tausend Fuß hinab, um im Tal ein Haufen zerbrochener Knochen zu werden.
Der Ärger des italienischen Polizisten, den er wortmächtig gegenüber Father Brown ausdrückte, war kräftig mit Bewunderung durchsetzt. »Das sieht ihm ähnlich, uns noch im letzten Augenblick zu entkommen«, sagte er. »Der
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