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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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das ist sein unschuldiges Register. Inzwischen haben ihn vier Verbrecher und drei Aufseher identifiziert und die Geschichte bestätigt. Und was haben Sie jetzt über meine arme kleine Maschine zu sagen? Hat nicht die Maschine ihn dahin gebracht? Oder ziehen Sie vor zu sagen, daß jene Frau und ich ihn dahin gebracht haben?«
    »Wohin Sie ihn gebracht haben«, erwiderte Father Brown, indem er aufstand und sich faul reckte. »Sie haben ihn vor dem elektrischen Stuhl in Sicherheit gebracht. Ich glaube nicht, daß man Drugger Davis auf Grund jener alten vagen Giftgeschichte töten kann; und was den Sträfling angeht, der den Aufseher getötet hat, so ist ja wohl offenkundig, daß Sie den nicht erwischt haben. An diesem Verbrechen ist Mr. Davis auf jeden Fall schuldlos.«
    »Was soll das heißen?« fragte der andere. »Warum sollte er an diesem Verbrechen schuldlos sein?«
    »Gott sei uns gnädig!« rief der kleine Mann in einem seiner seltenen Gefühlsausbrüche. »Eben weil er der anderen Verbrechen schuldig ist! Ich begreife nicht, woraus Ihr Leute gemacht seid. Ihr scheint zu glauben, daß alle Sünden in einem einzigen Sack stecken. Ihr redet, als ob der Geizhals vom Montag immer am Dienstag der große Verschwender wäre. Sie erzählen mir, daß dieser Mann, den Sie hier haben, Wochen und Monate damit verbrachte, bedürftigen Frauen kleine Geldsummen abzuschwindeln; daß er bestenfalls ein Betäubungsmittel und schlimmstenfalls Gift verwendete; daß er später als die billigste Art von Geldverleiher auftauchte und wieder ärmste Leute auf die gleiche geduldige und friedfertige Weise betrogen hat. Soll’s sein – wir wollen um des Argumentes willen zugeben, daß er all das getan hat. Wenn das so ist, dann werde ich Ihnen sagen, was er nicht getan hat. Er hat keine befestigte und von einem Mann mit geladenem Gewehr bewachte Mauer gestürmt. Er hat nicht mit eigener Hand an die Mauer geschrieben, um mitzuteilen, daß er das getan habe. Er ist nicht stehengeblieben, um festzuhalten, daß seine Rechtfertigung Selbstverteidigung sei. Er hat nicht erklärt, daß er mit dem armen Aufseher keinen Streit hatte. Er hat nicht das Haus des reichen Mannes genannt, zu dem er mit dem Gewehr unterwegs sei. Er hat seine eigenen Initialen nicht mit dem Blut eines anderen Mannes geschrieben. Bei allen Heiligen! Können Sie denn nicht sehen, daß der ganze Charakter im Guten wie im Bösen ganz unterschiedlich ist? Sie scheinen nicht so zu sein, wie ich ein bißchen bin. Man sollte meinen, daß Sie niemals irgendein Laster gehabt hätten.«
    Der verblüffte Amerikaner hatte bereits den Mund geöffnet, um zu protestieren, als an der Tür seines Privat- und Amtszimmers in einer so unfeierlichen Weise gehämmert und gerüttelt wurde, wie er das absolut nicht gewohnt war.
    Die Tür flog auf. Im Augenblick zuvor war Greywood Usher zu der Überzeugung gekommen, daß Father Brown möglicherweise verrückt geworden sei. Im Augenblick danach begann er zu glauben, er selbst sei verrückt. Da stürmte und stürzte in sein Zimmer ein Mann in den dreckigsten Lumpen, einen speckigen zerknautschten Hut schief auf dem Kopf, eine schäbige grüne Klappe vom einen seiner Augen hochgeschoben, die beide wie die eines Tigers glommen. Der Rest seines Gesichtes war fast nicht auszumachen, da es von einem verfilzten Bart bedeckt war, durch den die Nase sich kaum durchdrängen konnte, und außerdem war es von einem schmuddeligen roten Schal oder Taschentuch verhüllt. Mr. Usher war stolz darauf, daß er die meisten der übelsten Burschen im ganzen Staat kannte, aber er war überzeugt, daß er noch nie einen solchen Pavian dermaßen als Vogelscheuche verkleidet gesehen hatte. Vor allem aber hatte er in all seiner friedlichen wissenschaftlichen Existenz niemals erlebt, daß so ein Mann ihn als erster angeredet hätte.
    »Hören Sie zu, mein alter Usher«, schrie das Wesen mit dem roten Taschentuch, »mir reicht’s jetzt langsam. Versuchen Sie bloß Ihre Versteckspielchen nicht mit mir; mich hält man nicht zum Narren. Lassen Sie meine Gäste in Ruhe, und ich werde nachsichtiger sein gegen diese einfallsreiche Maschinerie. Behalten Sie ihn aber auch nur noch einen Augenblick hier, dann werden Sie sich ganz schön schäbig vorkommen. Schätze, ich bin nicht ein Mann mit keinem Einfluß.«
    Der eminente Usher betrachtete das brüllende Ungeheuer mit einem Staunen, das alle anderen Gefühle verschlungen hatte. Der Schock für seine Augen hatte seine Ohren fast

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