Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
nutzlos gemacht. Schließlich läutete er mit gewalttätiger Hand eine Glocke. Während die Glocke noch laut erdröhnte, erklang die Stimme von Father Brown sanft, aber deutlich.
»Ich möchte eine Vermutung aussprechen«, sagte er, »aber sie ist ein bißchen verwirrend. Ich kenne diesen Herrn nicht – aber – aber ich glaube, daß ich ihn kenne. Sie aber, Sie kennen ihn – Sie kennen ihn sogar gut –, aber Sie kennen ihn nicht – natürlich. Klingt paradox, ich weiß.«
»Ich glaube, der Kosmos hat einen Sprung«, sagte Usher und ließ sich lang ausgestreckt in seinen Amtsstuhl fallen.
»Hören Sie mal her«, geiferte der Fremde und schlug auf den Tisch, aber er sprach mit einer Stimme, die um so rätselhafter war, als sie verhältnismäßig milde und vernünftig, wenngleich immer noch dröhnend klang. »Ich will Sie da nicht drin haben. Ich will – «
»Wer zum Teufel sind Sie?« brüllte Usher und setzte sich plötzlich aufrecht hin.
»Ich glaube, der Name des Herrn ist Todd«, sagte der Priester.
Dann nahm er den regenbogenfarbenen Zeitungsausschnitt.
»Ich fürchte, Sie lesen die Gesellschaftsblätter nicht gründlich«, sagte er und begann mit eintöniger Stimme vorzulesen: »›… oder in den Juwelenbusen der heitersten Herrscherinnen unserer Stadt verschlossen; doch munkelt man von einer poppigen Parodie auf die einfachen Sitten und Gebräuche am anderen Ende der gesellschaftlichen Skala‹. Heute abend hat es ein großes Slum-Fest am Pilgrim’s Pond gegeben; und ein Mann, einer der Gäste, ist verschwunden. Mr. Ireton Todd ist ein guter Gastgeber und hat seine Spuren bis hierher verfolgt, ohne sich auch nur die Zeit zu nehmen, sein Maskenkostüm abzulegen.«
»Was meinen Sie damit?«
»Ich meine den Mann in der komischen, schlecht sitzenden Kleidung, den Sie über das gepflügte Feld haben rennen sehen. Wäre es nicht besser, Sie gingen zu ihm und überprüften ihn? Er wird langsam ungeduldig sein, zu seinem Champagner zurückzukommen, von dem er in solcher Eile davonrannte, als der Sträfling mit dem Gewehr in Sicht kam.«
»Meinen Sie allen Ernstes – «, begann der Beamte.
»Hören Sie, Mr. Usher«, sagte Father Brown ruhig, »Sie sagten, die Maschine könne keinen Fehler machen, und in einem gewissen Sinne machte sie auch keinen. Aber die andere Maschine machte einen; die Maschine, die sie bediente. Sie nahmen an, daß der Mann in Lumpen beim Namen Lord Falconroy zusammenfuhr, weil er der Mörder von Lord Falconroy sei. Er fuhr bei dem Namen Lord Falconroy zusammen, weil er Lord Falconroy ist.«
»Warum zur Hölle hat er das denn nicht gesagt?« fragte der starr blickende Usher.
»Er war der Ansicht, daß weder seine Lage noch seine vorhergehende Panik sehr aristokratisch waren«, erwiderte der Priester, »und deshalb versuchte er zunächst, seinen Namen zu verschweigen. Aber er wollte ihn Ihnen gerade nennen, als« – und Father Brown blickte auf seine Schuhe nieder –, »als eine Frau einen anderen Namen für ihn fand.«
»Aber Sie können doch nicht so verrückt sein zu behaupten«, sagte Greywood Usher sehr bleich, »daß Lord Falconroy Drugger Davis war.«
Der Priester sah ihn sehr ernsthaft an, aber mit einem verwirrenden und unentzifferbaren Gesichtsausdruck.
»Dazu sage ich überhaupt nichts«, sagte er. »Den Rest überlasse ich Ihnen. Ihre Regenbogenzeitung sagt, daß sein Titel erst kürzlich wieder für ihn erneuert worden sei; aber solche Blätter sind reichlich unzuverlässig. Sie behauptet, daß er in seiner Jugend in den Staaten war; aber die ganze Geschichte klingt reichlich sonderbar. Davis und Falconroy sind beides ziemliche Feiglinge, aber das sind viele andere Männer auch. Ich würde auf Grund meiner Ansichten von der Sache nicht einmal einen Hund aufhängen. Aber ich glaube«, fuhr er sanft und nachdenklich fort, »ich glaube, Ihr Amerikaner seid zu bescheiden. Ich glaube, Ihr idealisiert die englische Aristokratie – sogar, indem Ihr annehmt, daß sie so aristokratisch ist. Sie sehen einen gutaussehenden Engländer im Abendanzug; Sie wissen, daß er im House of Lords sitzt; und Sie bilden sich ein, daß er einen Vater gehabt habe. Sie räumen da unserer nationalen Schwungkraft und unserem Auftrieb keinen Platz ein. Manche unserer einflußreichsten Adligen sind nicht nur erst in jüngster Zeit aufgestiegen, sondern – «
»Ach, hören Sie doch auf!« rief Greywood Usher und wrang eine magere Hand ungeduldig wider einen Schatten der Ironie im Gesicht
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