Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
Vom Netzwerk:
der falschen Nase!« wiederholte Flambeau. »Wer ist das?«
    »Ich habe keine Ahnung«, antwortete Father Brown. »Ich möchte, daß Sie das herausfinden; ich bitte Sie um diesen Gefallen. Er ist da hinabgegangen« – und er wies mit seinem Daumen in einer seiner unbestimmten Gesten über die Schulter – »und kann noch keine drei Straßenlaternen weit gekommen sein. Ich möchte nur seine Richtung wissen.«
    Flambeau starrte seinen Freund einige Zeit lang mit einer Mischung aus Bestürzung und Belustigung an; dann erhob er sich vom Tisch, quetschte seine riesige Gestalt durch die kleine Tür der Zwergenkneipe, und verschwand im Dämmerlicht.
    Father Brown nahm ein kleines Buch aus der Tasche und begann, gelassen zu lesen; er verriet durch nichts, ob er sich der Tatsache bewußt war, daß die rothaarige Dame ihren Tisch verlassen und sich ihm gegenüber niedergesetzt hatte. Schließlich lehnte sie sich vor und sagte mit leiser, kräftiger Stimme: »Warum haben Sie das gesagt? Woher wissen Sie, daß sie falsch ist?«
    Er hob seine ziemlich schweren Augenlider, die in beträchtlicher Verwirrung flatterten. Dann schweifte sein zweifelhafter Blick wieder hinauf zu den weißen Buchstaben an der Glasscheibe der Kneipe. Der Blick der jungen Frau folgte dem seinen und blieb dort ebenfalls haften, wenngleich in völligem Unverständnis.
    »Nein«, sagte Father Brown, indem er ihre Gedanken beantwortete. »Das bedeutet nicht ›Sela‹ wie das Ding in den Psalmen; ich habe das eben auch so gelesen, als ich vor mich hin träumte; es bedeutet ›Ales‹.«
    »Und?« fragte die entgeistert blickende junge Dame. »Was spielt denn das für eine Rolle?«
    Sein nachdenklicher Blick schweifte über des Mädchens leichten Leinenärmel, der am Handgelenk mit einer sehr schmalen kunstreichen Spitzenborte abgesetzt war, gerade genug, um ihn vom Arbeitskleid einer gewöhnlichen Frau zu unterscheiden und ihn mehr wie das Arbeitskleid einer Kunststudentin wirken zu lassen. Darin schien er reiche Nahrung für seine Gedanken zu finden; aber seine Antwort kam sehr langsam und zögerlich. »Nun ja, mein Fräulein«, sagte er, »von außen sieht dieses Lokal – es ist selbstverständlich ein höchst anständiges Lokal – aber Damen wie Sie denken – denken im allgemeinen nicht so. Sie betreten ein solches Lokal niemals freiwillig, abgesehen von – «
    »Und?« wiederholte sie.
    »Abgesehen von ein paar Unglücklichen, die aber nicht hereinkommen, um Milch zu trinken.«
    »Sie sind ein sehr sonderbarer Mensch«, sagte die junge Dame. »Warum tun Sie das alles?«
    »Nicht, um Ihnen dadurch Kummer zu bereiten«, sagte er sehr sanft. »Nur um mich mit genügend Kenntnissen auszurüsten, um Ihnen helfen zu können für den Fall, daß Sie aus freien Stücken um meine Hilfe bitten.«
    »Aber warum sollte ich denn Hilfe brauchen?«
    Er setzte seinen träumerischen Monolog fort. »Sie können nicht hereingekommen sein, um Schützlinge zu treffen, arme Leute oder so, sonst wären Sie weiter in den Aufenthaltsraum gegangen… und Sie können nicht hereingekommen sein, weil Sie sich schlecht fühlen, sonst hätten Sie mit der Wirtin gesprochen, die offensichtlich ehrbar ist… und außerdem sehen Sie nicht krank aus in diesem Sinne, sondern nur unglücklich… Diese Straße ist die einzige echt lange Gasse, die keine Kurven aufweist; und die Häuser auf beiden Seiten sind geschlossen… Ich kann mir nur vorstellen, daß Sie jemanden kommen sahen, dem Sie nicht zu begegnen wünschten; und da entdeckten Sie dieses Lokal als einzigen Zufluchtsort in dieser Wüstenei aus Stein… Ich glaube nicht, daß ich die Befugnisse eines Fremden überschritten habe, als ich einen Blick auf den einzigen Mann warf, der kurz danach vorbeikam… Und da ich meine, daß er wie etwas Falsches aussah… und Sie wie etwas Richtiges aussehen… hielt ich mich bereit, Ihnen zu helfen, falls er Sie belästigen sollte; das ist alles. Was meinen Freund angeht, so wird er bald zurück sein; und er wird sicherlich nichts ausfindig machen, indem er eine Straße wie diese hinabstürmt… Damit habe ich auch nicht gerechnet.«
    »Aber warum haben Sie ihn denn dann losgeschickt?« rief sie und lehnte sich mit noch intensiverer Neugier vor. Sie hatte das stolze ungestüme Gesicht einer Rothaarigen, und eine römische Nase wie Marie Antoinette.
    Er sah sie zum ersten Mal unmittelbar an und sagte: »Weil ich hoffte, Sie würden mich ansprechen.«
    Sie sah ihn eine Weile mit erhitztem

Weitere Kostenlose Bücher