Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
Mutter, als wäre er ein frivoler Franzose. Er war vollkommen sicher, daß die biblische Religion wirklich die richtige Sache sei; nur vermißte er sie vage, wohin immer in der modernen Welt er wanderte. Man konnte kaum von ihm erwarten, daß er mit den religiösen Äußerlichkeiten in katholischen Landen sympathisiere; und in seiner Abneigung gegen Mitren und Rosenkränze sympathisierte er mit Mr. Snaith, wenngleich nicht auf eine so überhebliche Art. Er hatte für die öffentlichen Verneigungen und Kratzfüße Mendozas nichts übrig und verspürte gewißlich keinerlei Verlockung durch den freimaurerischen Mystizismus des Atheisten Alvarez. Vielleicht war all dieses halbtropische Leben, durchwirkt mit indianischem Rot und spanischem Gold, zu farbenfreudig für ihn. Wenn er aber sagte, nichts komme seiner Heimatstadt gleich, so war das keine Übertreibung. Er war wirklich davon überzeugt, daß es irgendwo dort irgend etwas Einfaches und Anspruchsloses und Anrührendes gebe, das er wirklich mehr als alles andere auf Erden respektierte. Bei solcher geistigen Haltung von John Adams Race auf einem südamerikanischen Posten war in ihm doch seit einiger Zeit ein sonderbares Gefühl entstanden, das all seinen Vorurteilen widersprach und über das er keine Rechenschaft ablegen konnte. Denn die Wahrheit war: Das einzige Ding, dem er jemals auf seinen Reisen begegnet war und das ihn an den alten Holzstoß und den provinziellen Anstand und die Bibel auf Mutters Knien erinnerte, waren (aus unerforschlichen Gründen) das rundliche Gesicht und der schwarze plumpe Regenschirm von Father Brown.
Er ertappte sich dabei, wie er unbewußt jene gewöhnliche und sogar komische Figur beobachtete, wie sie geschäftig umhereilte; sie mit einer fast morbiden Faszination beobachtete, als ob sie ein wandelndes Rätsel, ein wandelnder Widerspruch sei. Er hatte im Herzen von all dem, was er haßte, etwas gefunden, das er mögen mußte; es war so, als sei er von kleineren Dämonen entsetzlich gequält worden und habe dann entdeckt, daß der Teufel selbst nur ein gewöhnlicher Mensch sei.
So geschah es denn, daß er, in jener monddurchleuchteten Nacht aus dem Fenster blickend, den Teufel vorübergehen sah, den Dämon der unerklärlichen Makellosigkeit, in seinem breitrandigen schwarzen Hut und seinem langen schwarzen Rock, wie er die Straße zum Torweg hinabschlurfte, und er sah ihn mit einem Interesse, das er selbst nicht verstand. Er wunderte sich, wohin der Priester gehe und was er wirklich vorhabe; und blieb da und starrte hinaus auf die mondhelle Straße noch lange, nachdem die kleine schwarze Gestalt vorübergekommen war. Und dann sah er etwas anderes, das ihn noch mehr verwirrte. Zwei andere Männer, die er kannte, kamen vor seinem Fenster vorbei wie über eine beleuchtete Bühne. Eine Art bläulichen Rampenlichtes umfloß vom Monde her wie ein gespenstischer Heiligenschein das große Haarbüschel, das aufrecht stand auf dem Kopf des kleinen Eckstein, des Weinhändlers, und es umriß eine größere und dunklere Gestalt mit einem Adlerprofil und einem wunderlich altmodischen und sehr kopflastigen schwarzen Hut, der den ganzen Umriß noch bizarrer erscheinen ließ, wie eine Gestalt in einem Schattenspiel. Race tadelte sich selbst, daß er dem Mond erlaube, solche Tricks mit seiner Phantasie zu spielen; denn auf einen zweiten Blick hin erkannte er die schwarzen spanischen Koteletten und die länglichen Gesichtszüge von Dr. Calderon, einem ehrbaren Arzt aus der Stadt, dem er einmal begegnet war, als er Mendoza beruflich beistand. Und dennoch gab es da etwas in der Art, wie die beiden Männer miteinander flüsterten und die Straße hinabspähten, was ihm eigentümlich vorkam. Einer plötzlichen Regung folgend, sprang er über das niedrige Fenstersims und schritt selbst auf ihren Spuren barhäuptig die Straße hinab. Er sah sie unter dem dunklen Torbogen verschwinden, und einen Augenblick später erscholl von jenseits ein furchtbarer Schrei, merkwürdig laut und durchdringend, der Races Blut um so mehr erstarren ließ, als er etwas sehr deutlich in einer Sprache ausdrückte, die er nicht kannte.
Im nächsten Augenblick folgte ein Rennen von Füßen, mehr Schreie, dann ein wirres Gebrüll aus Zorn oder Kummer, das die Türmchen und die hohen Palmen am Platze erbeben ließ; dann gab es eine Bewegung in der Masse, die zusammengeströmt war, als brande sie rückwärts durch den Torbogen. Und dann erdröhnte der dunkle Torweg von einer neuen
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