Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
Sie auch gesehen, welche Vögel da flogen, und ob zur Rechten oder zur Linken? Haben Sie die Auguren nach den Opfern befragt? Sicherlich haben Sie nicht versäumt, den Hund aufzuschneiden und seine Eingeweide zu befragen. Das ist die Art wissenschaftlicher Prüfung, auf die ihr heidnischen Humanitarier euch zu verlassen scheint, wenn ihr einem Mann Leben und Ehre nehmen wollt.«
Fiennes saß einen Augenblick mit offenem Munde da, ehe er genügend Atem fand, um zu fragen: »Was ist denn mit Ihnen los? Was habe ich denn jetzt getan?«
In die Augen des Priesters kroch eine Art Besorgnis zurück – die Besorgnis eines Mannes, der im Dunkeln gegen einen Pfosten gerannt ist und sich nun fragt, ob er ihn verletzt habe.
»Tut mir furchtbar leid«, sagte er mit aufrichtiger Betrübnis. »Ich bitte Sie um Vergebung, daß ich so grob war; bitte verzeihen Sie mir.«
Fiennes sah ihn neugierig an. »Manchmal glaube ich, daß Sie von allen Geheimnissen das Geheimnisvollste sind«, sagte er. »Aber wenn Sie auch nicht an das Geheimnis des Hundes glauben, so kommen Sie doch nicht um das Geheimnis des Mannes herum. Sie können nicht leugnen, daß im gleichen Augenblick, da das Tier aus dem Meer stieg und heulte, die Seele seines Meisters durch den Hieb einer ungesehenen Macht aus dem Körper getrieben wurde, die kein Sterblicher aufspüren oder sich auch nur vorstellen kann. Und was den Anwalt angeht – ich halte mich da nicht nur an den Hund –, da gibt es auch noch andere merkwürdige Einzelheiten. Er kam mir wie ein glatter, lächelnder, doppelzüngiger Mensch vor; und eine seiner Angewohnheiten erschien wie eine Art Hinweis. Wie Sie wissen, waren der Doktor und die Polizei sehr rasch an Ort und Stelle; Valentine wurde zurückgeholt, während er vom Haus fortschritt, und er telephonierte sofort. Das machte es angesichts des abgeschlossenen Hauses, der kleinen Anzahl Leute und des eingefriedeten Geländes möglich, jeden zu durchsuchen, der auch nur in der Nähe gewesen sein konnte; und jeder wurde gründlich durchsucht – nach einer Waffe. Das ganze Haus, der Garten, das Ufer wurden nach einer Waffe durchkämmt. Das Verschwinden des Dolches ist fast ebenso irrsinnig wie das Verschwinden des Mannes.«
»Das Verschwinden des Dolches«, sagte Father Brown nickend. Er schien plötzlich aufmerksam geworden zu sein.
»Nun«, fuhr Fiennes fort, »ich habe Ihnen erzählt, daß dieser Traill die Angewohnheit hatte, an Krawatte und Krawattennadel herumzufummeln – vor allem an der Krawattennadel. Die Nadel war wie er selbst gleichzeitig prunkvoll und altmodisch. Sie besaß einen jener Steine mit konzentrischen farbigen Ringen, die wie ein Auge aussehen; und wie er sich auf ihn konzentrierte, ging mir auf die Nerven, so als ob er ein Zyklop mit einem Auge mitten auf seiner Brust wäre. Die Nadel war aber nicht nur groß, sondern auch lang; und mir kam es so vor, als komme seine Unruhe über ihren richtigen Sitz daher, daß sie noch länger war als sie aussah; so lang wie ein Stilett.«
Father Brown nickte nachdenklich. »Hat man auch noch an eine andere Waffe gedacht?« fragte er.
»Es gab noch einen anderen Gedanken«, antwortete Fiennes, »von einem der jungen Druces – den Vettern, meine ich. Weder Herbert noch Harry würden einem zunächst als mögliche Helfer bei einer wissenschaftlichen Aufklärung auffallen; während aber Herbert tatsächlich der typische schwere Dragoner war, den nichts anderes interessierte als Pferde, mit dem einzigen Wunsch, eine Zierde der berittenen Garde zu sein, war sein jüngerer Bruder Harry bei der Indien-Polizei gewesen und wußte einiges von solchen Dingen. Auf seine Weise war er sogar ganz schön schlau; und vielleicht ist er sogar zu schlau gewesen; ich glaube, er mußte die Polizei verlassen, weil er sich über irgendwelche Dienstvorschriften hinweggesetzt und irgendwelche Risiken und Verantwortungen selbst übernommen hat. Jedenfalls, er war auf eine gewisse Art ein Detektiv außer Diensten und warf sich auf diese Sache mit mehr als dem Eifer eines Amateurs. Und mit ihm hatte ich eine Diskussion über die Waffe – eine Diskussion, die zu etwas Neuem führte. Es begann damit, daß er meiner Beschreibung widersprach, wie der Hund Traill angebellt habe; er sagte, wenn ein Hund besonders zornig ist, belle er nicht mehr, sondern knurre.«
»Damit hatte er ganz recht«, bemerkte der Priester.
»Dieser junge Bursche sagte dann weiter, wenn es darum ginge, so habe er Nacht schon zuvor andere
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