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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Lachen.
    Denn noch ist von jenem großen Traum Jeffersons und dem Ding, das die Menschen Demokratie nennen, so viel übrig geblieben, daß in seinem Land die Armen, während die Reichen wie Tyrannen herrschen, nicht wie Sklaven reden; vielmehr herrscht Offenheit zwischen Unterdrückern und Unterdrückten.
    Der Treffpunkt der Revolutionäre war ein eigenartiges, kahles, weiß gekalktes Lokal, an dessen Wänden sich ein oder zwei verzerrte ungeschlachte Schwarzweiß-Zeichnungen befanden, in jenem Stil, der angeblich proletarische Kunst ist, die aber nicht einmal für 1 Proletarier unter 1 Million Hand und Fuß hat. Die einzige Gemeinsamkeit beider Ratsversammlungen war vielleicht die, daß beide die amerikanische Verfassung durch den Ausschank alkoholischer Getränke verletzten. Cocktails der unterschiedlichsten Farben hatten vor den drei Millionären gestanden. Halket, der gewalttätigste der Bolschewiken, hielt es durchaus für angebracht, Wodka zu trinken. Er war ein langer, schwerfälliger Kerl mit bedrohlich vorgebeugter Haltung, und sogar sein Profil war angriffslustig wie das eines Hundes, Nase und Lippen waren vorwärts gestülpt, wobei die letzteren einen struppigen roten Schnurrbart trugen, und das Ganze krümmte sich in ständiger Verachtung auswärts. John Elias war ein dunkler wachsamer Mann mit Brille und einem schwarzen Spitzbart; er hatte in vielen europäischen Cafés Geschmack an Absinth gewonnen. Des Journalisten tiefster Eindruck war, wie ähnlich sich doch trotz allem John Elias und Jacob P. Stein waren. Sie waren sich in Gesicht und Geist und Gestik so ähnlich, daß der Millionär im Hotel Babylon durch eine Falltür hätte verschwinden und in der Festung der Bolschewiken wieder auftauchen können.
    Auch der dritte Mann hatte einen eigenartigen Geschmack bei Getränken, und sein Getränk war charakteristisch für ihn. Denn was vor dem Poeten Horne stand, war ein Glas Milch, und gerade dessen Mildheit schien in dieser Umgebung etwas Bedrohliches an sich zu haben, als ob seine undurchsichtige farblose Farbe die einer verdorbenen Paste sei, viel giftiger als das tote kranke Grün des Absinths. Doch in Wahrheit war diese Mildheit soweit recht ehrlich; denn Henry Horne war auf ganz anderen Wegen und von ganz anderen Ursprüngen ins Lager der Revolution gekommen als Jake, der einfache Spengler, und Elias, der kosmopolitische Drahtzieher. Er hatte eine sogenannte sorgfältige Erziehung genossen, war während seiner Kindheit in die Kirche gegangen und schleppte ein Abstinenzlertum mit sich durchs Leben, das er auch nicht abschütteln konnte, nachdem er solche Nebensächlichkeiten wie Christentum und Ehe abgeworfen hatte. Er hatte blondes Haar und ein feines Gesicht, das dem Shelleys ähnlich gewesen wäre, hätte er sein Kinn nicht durch einen kleinen ausländischen Fransenbart geschwächt. Irgendwie ließ ihn der Bart eher wie eine Frau aussehen; als ob jene weniger goldenen Haare alles wären, was er leisten konnte.
    Als der Journalist eintrat, redete wie meistens der unvermeidliche Jake. Horne hatte irgendeine beiläufige konventionelle Bemerkung gemacht, »der Himmel verbiete« dieses und jenes, was völlig ausreichte, um Jake sich in einem Sturzbach von Lästerungen ergießen zu lassen.
    »Der Himmel verbiete! Und was anderes tut er ja verflucht auch nicht«, sagte er. »Der Himmel tut nie was anderes, als dies und das und jenes zu verbieten; verbietet uns zu streiken, und verbietet uns zu kämpfen, und verbietet uns, die verdammten Wucherer und Blutsauger abzuknallen, wo sie gerade sitzen. Warum verbietet der Himmel denen nicht mal was? Warum stehen eure verdammten Priester und Pfaffen nicht mal auf und erzählen zur Abwechslung die Wahrheit über diese Viecher? Warum tut ihr feiner Gott nicht mal – «
    Elias erlaubte sich einen sanften Seufzer, wie aus matter Müdigkeit, um ihm zu entrinnen.
    »Priester«, sagte er, »gehörten, wie Marx gezeigt hat, zur Feudaletappe der wirtschaftlichen Entwicklung und sind daher kein wirklicher Teil des Problems mehr. Die Rolle, die einst der Priester gespielt hat, hat heute der kapitalistische Experte übernommen und – «
    »Ja«, unterbrach der Journalist mit seiner grimmigen und ironischen Unparteilichkeit, »und ihr solltet endlich zur Kenntnis nehmen, daß manche von ihnen wahre Experten darin sind, sie zu spielen.« Und ohne seinen Blick von dem hellen aber toten Blick Elias’ abzuwenden, berichtete er ihm von Steins Drohung.
    »Ich war auf so was

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