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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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mich zuerst etwas sagen, das Sie erstaunen mag. Darnaway starb nicht an jenem Abend um 7 Uhr. Da war er bereits einen ganzen Tag lang tot.«
    »Überraschung wäre ein zu mildes Wort«, sagte Payne grimmig, »angesichts der Tatsache, daß wir beide ihn später noch herumgehen sahen.«
    »Nein, taten wir nicht«, erwiderte Father Brown gelassen. »Ich meine, wir sahen ihn, oder dachten ihn zu sehen, wie er mit dem Fokussieren seiner Kamera herumhantierte. War aber nicht sein Kopf unter jenem schwarzen Tuch, als Sie durchs Zimmer kamen? Als ich kam, war er. Und da hatte ich den Eindruck, daß etwas an dem Zimmer und der Gestalt sonderbar war. Nicht weil das Bein krumm war, sondern weil es gerade nicht krumm war. Sie war zwar mit der gleichen Art dunkler Kleidung angezogen, aber wenn Sie glauben, einen bestimmten Mann dastehen zu sehen, doch auf eine Weise, wie ein bestimmter anderer Mann zu stehen pflegt, dann werden Sie den Eindruck gewinnen, er stünde da in einer eigenartigen und angestrengten Haltung.«
    »Wollen Sie wirklich sagen«, rief Payne mit einem leichten Schauer, »daß das irgendein Unbekannter war?«
    »Es war der Mörder«, sagte Father Brown. »Er hatte Darnaway bereits bei Tagesanbruch getötet und die Leiche und sich in der Dunkelkammer versteckt – ein ausgezeichnetes Versteck, da gewöhnlich niemand da reingeht oder viel sehen kann, wenn er es tut. Aber um 7 Uhr ließ er sie natürlich heraus auf den Boden fallen, damit man sich die Sache durch den Fluch erkläre.«
    »Aber ich verstehe das nicht«, bemerkte Payne. »Warum hat er ihn denn nicht um 7 Uhr getötet, statt sich für 14 Stunden mit einem Leichnam zu belasten?«
    »Lassen Sie mich Ihnen eine andere Frage stellen«, sagte der Priester. »Warum ist die Aufnahme nicht gemacht worden? Weil der Mörder ihn sofort tötete, als er hinaufkam, und ehe er die Aufnahme machen konnte. Für den Mörder war es wesentlich zu verhindern, daß die Photographie den Fachmann für die Antiquitäten der Darnaways erreichte.«
    Ein plötzliches Schweigen trat ein, und dann fuhr der Priester mit leiserer Stimme fort:
    »Sehen Sie denn nicht, wie einfach das ist? Sie selbst haben doch die eine Möglichkeit erkannt; aber es ist noch einfacher, als selbst Sie gedacht haben. Sie haben gesagt, ein Mann könne hergerichtet werden, um einem alten Bild zu gleichen. Sicherlich aber ist es noch einfacher, ein Bild herzurichten, damit es einem Mann gleicht. In einfachen Worten: Es stimmt auf eine ganz besondere Weise, daß es kein Verhängnis der Darnaways gibt. Es gibt kein altes Bild; es gibt keinen alten Reim; es gibt keine Geschichte von einem Mann, der den Tod seiner Frau verursachte. Aber es gab einen sehr bösen und sehr klugen Mann, der bereit war, den Tod eines anderen Mannes zu verursachen, um ihm die versprochene Frau zu nehmen.«
    Der Priester lächelte Payne plötzlich traurig an, als ob er ihm Mut machen wolle. »Für einen Augenblick haben Sie, glaube ich, gedacht, ich meinte Sie«, sagte er, »aber Sie waren nicht der einzige, der das Haus aus Gefühlsgründen immer wieder heimsuchte. Sie kennen den Mann oder denken vielmehr, daß Sie ihn kennten. Doch gibt es Abgründe in dem Mann namens Martin Wood, Künstler und Antiquar, die keine seiner künstlerischen Bekanntschaften zu erraten vermochten. Erinnern Sie sich, daß er gerufen wurde, um die Bilder zu beurteilen und zu katalogisieren; in einer aristokratischen Rumpelkammer dieser Art bedeutet das soviel wie den Darnaways einfach zu sagen, welche Kunstschätze sie überhaupt besaßen. Sie würden keineswegs überrascht sein, wenn Dinge auftauchten, die sie vorher nie gesehen hatten. Es mußte nur gut gemacht werden, und das wurde es; vielleicht hatte er recht, als er sagte, wenn es nicht von Holbein sei, dann von einem ähnlichen Genie.«
    »Ich bin wie betäubt«, sagte Payne, »und dabei gibt es zwanzig Dinge, die ich immer noch nicht begreife. Woher wußte er, wie Darnaway aussah? Wie hat er ihn wirklich getötet? Die Ärzte scheinen daran immer noch herumzurätseln.«
    »Ich habe bei der Dame eine Photographie gesehen, die der Australier voraufgeschickt hatte«, sagte der Priester, »und es gibt mancherlei Wege, auf denen er Dinge erfahren konnte, sobald der neue Erbe anerkannt war. Wir kennen diese Einzelheiten nicht, aber sie bieten keine Schwierigkeiten. Erinnern Sie sich, daß er in der Dunkelkammer zu helfen pflegte; das scheint mir ein idealer Platz zu sein, um inmitten all der herumstehenden

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