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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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einzige Grabstein über dem nassen Grab des armen Gideon Wise. Nares, der als letzter aus dem Haus kam, schloß die Tür und folgte den übrigen über die Heide zur Klippe, als er überrascht sah, wie der junge Potter, der Sekretär, schnell auf sie zu zurückkam mit einem Gesicht im Mondlicht so weiß wie ein Mond.
    »Bei Gott, Sir«, sagte er, als er zum ersten Mal in jener Nacht sprach, »da ist wirklich irgendwas. Es – es sieht genau wie er aus.«
    »Sie sind ja verrückt«, keuchte der Detektiv. »Hier ist wohl jeder verrückt.«
    »Glauben Sie denn, ich kennte ihn nicht, wenn ich ihn sehe?« schrie der Sekretär mit außerordentlicher Bitterkeit. »Ich habe dazu Gründe.«
    »Vielleicht«, sagte der Detektiv scharf, »gehören Sie zu jenen, die Grund hatten, ihn zu hassen, wie Halket sagte.«
    »Vielleicht«, sagte der Sekretär; »jedenfalls kenne ich ihn, und ich sage Ihnen, ich kann ihn da stehen sehen, starr und starräugig unter diesem höllischen Mond.«
    Und er wies auf die Spalte in den Klippen, in der sie bereits etwas erblicken konnten, das ein Mondstrahl sein konnte oder ein Gischtfetzen, das aber bereits begann, kompakter auszusehen. Sie waren 100 Meter näher herangekrochen, und immer noch war es bewegungslos; aber es sah aus wie eine Statue aus Silber.
    Nares selbst sah ein bißchen blaß aus, und er schien dazustehen und mit sich zu diskutieren, was jetzt zu tun sei. Potter fürchtete sich offenkundig ebensosehr wie Horne; und selbst Byrne, der ein hartgesottener Reporter war, empfand Widerwillen dagegen, näher heran zu gehen als unbedingt nötig. Daher kam es ihm einigermaßen merkwürdig vor, daß der einzige Mann, der sich vor dem Geist nicht zu fürchten schien, der Mann war, der öffentlich erklärt hatte, daß er sich vielleicht fürchten werde. Denn Father Brown ging mit seinem schwerfälligen Schritt ebenso stetig vorwärts, als ob er eine Anschlagtafel konsultieren wolle.
    »Das scheint Sie ja nicht sehr zu beunruhigen«, sagte Byrne zu dem Priester, »und dabei waren Sie doch der einzige, der an Gespenster glaubt.«
    »Wenn es darum geht«, sagte Father Brown, »so dachte ich, daß Sie derjenige wären, der nicht an sie glaubte. Aber es ist eine Sache, an Geister zu glauben, und eine andere, an einen Geist zu glauben.«
    Byrne sah einigermaßen beschämt aus und warf einen verstohlenen Blick hinaus auf die im kalten Mondlicht daliegende bröckelige Landspitze, die Stätte jener Vision oder Wahngestalt.
    »Ich hab’ es nicht geglaubt, bis ich es gesehen habe«, sagte er.
    »Und ich hab’ es geglaubt, bis ich es gesehen habe«, sagte Father Brown.
    Der Journalist starrte ihm nach, wie er über die große kahle Fläche stapfte, die zum gespalteten Vorgebirge hinanstieg wie die Steilseite eines in zwei gespaltenen Hügels. Unter dem ausbleichenden Mond sah das Gras wie langes graues Haar aus, das der Wind in eine Richtung gekämmt hatte und das zu jener Stelle zu weisen schien, wo die abbröckelnde Klippe in der graugrünen Grasnarbe fahle Kalkstellen zeigte und wo jene fahle Gestalt, jener schimmernde Schatten stand, den bisher niemand begreifen konnte. Noch beherrschte jene fahle Gestalt eine verlassene Landschaft, die leer war bis auf den schwarzen vierschrötigen Rücken und die geschäftsmäßige Gestalt des Priesters, der allein auf sie zuging. Dann riß sich der Häftling Horne plötzlich mit einem durchdringenden Schrei von seinen Bewachern los und rannte an dem Priester vorbei und sank vor der Erscheinung auf die Knie.
    »Ich habe gestanden«, hörten sie ihn schreien. »Warum sind Sie gekommen, um ihnen zu sagen, daß ich Sie getötet habe?«
    »Ich bin gekommen, um ihnen zu sagen, daß Sie es nicht getan haben«, sagte der Geist und streckte ihm seine Hand hin. Da sprang der kniende Mann mit einer ganz neuen Art Schrei auf; und da wußten sie, daß es eine Hand aus Fleisch war.
     
    In jüngster Zeit sei niemand auf so bemerkenswerte Weise dem Tode entronnen, sagte der erfahrene Detektiv ebenso wie der nicht minder erfahrene Journalist. Und dabei war letzten Endes alles sehr einfach. Flocken und Bruchstücke brachen ständig von der Klippe ab, und manche davon hatten sich in dem riesigen Spalt verfangen und eine Art Sims oder Tasche dort gebildet, wo man einen glatten Absturz durch die Dunkelheit in die See vermutete. Der alte Mann, der ein sehr zäher und drahtiger alter Mann war, war auf diese tiefere Felsschulter gestürzt und hatte schreckliche 24 Stunden mit Versuchen

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