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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Gewand und Glaube irgendwelche südlichen Beichterinnerungen in ihr berührten oder ob sie sich einbildete, er wisse mehr als er tat, jedenfalls sagte sie mit leiser Stimme zu ihm wie zu einem Mitverschworenen: »Auf seine Weise hat er schon recht, Ihr Freund. Er sagte, es wäre schwer, den guten und den bösen Bruder herauszufinden. Oh, es wäre schwer, es wäre sehr schwer, den guten Bruder herauszufinden.«
    »Ich verstehe Sie nicht«, sagte Father Brown und begann, sich langsam abzuwenden.
    Die Frau tat einen Schritt auf ihn zu, mit finsteren Augenbrauen und auf wilde Weise nach vorn gebeugt, wie ein Stier, der seine Hörner senkt.
    »Es gibt keinen guten«, zischte sie. »Es war schlecht von dem Hauptmann, all das Geld zu nehmen, aber ich glaube nicht, daß es gut vom Prinzen war, es zu geben. Der Hauptmann ist nicht der einzige, der etwas auf dem Gewissen hat.«
    Im abgewandten Gesicht des Klerikers begann ein Licht aufzuleuchten, und sein Mund formte schweigend das Wort »Erpressung«. Doch noch während er das tat, wandte die Frau ein plötzlich schneeweißes Gesicht über die Schulter und brach fast zusammen. Die Tür hatte sich geräuschlos geöffnet, und in ihr stand wie ein Geist der fahle Paul. Durch den unheimlichen Trick der Spiegelwände schien es, als seien fünf Pauls durch fünf Türen gleichzeitig eingetreten.
    »Seine Hoheit«, sagte er, »ist soeben eingetroffen.«
    Im gleichen Augenblick kam die Gestalt eines Mannes draußen an dem ersten Fenster vorbei und kreuzte die von der Sonne beschienene Scheibe wie eine beleuchtete Bühne. Einen Moment später kam er am zweiten Fenster vorbei, und die vielen Spiegel spiegelten in aufeinanderfolgenden Rahmen das gleiche Adlerprofil und die gleiche marschierende Gestalt. Er ging aufrecht und lebhaft, aber sein Haar war weiß und sein Teint von einem merkwürdigen Elfenbeingelb. Er hatte jene kurze gebogene römische Nase, die gewöhnlich hagere Wangen und hageres Kinn begleiten, aber die waren zum Teil von Schnurrbart und Zwickelbart bedeckt. Der Schnurrbart war viel dunkler als der Bart, was einen leicht theatralischen Effekt ergab, und auch seine Kleidung reichte ans Übertriebene, mit weißem Zylinder, einer Orchidee im Knopfloch, einer gelben Weste und gelben Handschuhen, die er im Gehen hin und her schwang und flappte. Als er zur Vordertür einbog, hörten sie den steifen Paul sie öffnen und hörten den Neuankömmling fröhlich sagen: »Alsdann, hier bin ich.« Der steife Paul verneigte sich und antwortete in seiner unhörbaren Art; während einiger Minuten konnte man ihre Unterhaltung nicht vernehmen. Dann sagte der Butler: »Alles steht zur Verfügung«; und der handschuhflappende Prinz Saradine kam heiter in den Raum, sie zu begrüßen. Und erneut erblickten sie die gespenstische Szene – fünf Prinzen betraten einen Raum mit fünf Türen.
    Der Prinz legte den weißen Zylinder und die Handschuhe auf den Tisch und bot ihnen herzlich die Hand.
    »Entzückt, Sie hier zu sehen, Mr. Flambeau«, sagte er. »Kenn Sie Ihrem Ruf nach sehr gut, wenn das keine taktlose Bemerkung ist.«
    »Keineswegs«, antwortete Flambeau lachend. »Ich bin da nicht empfindlich. Nur selten wird ein Ruf durch unbefleckte Tugend erworben.«
    Der Prinz warf ihm einen scharfen Blick zu, um zu sehen, ob diese Bemerkung eine persönliche Spitze berge; dann lachte er auch, bot allen Stühle an und nahm selbst Platz.
    »Netter kleiner Platz hier«, sagte er mit unbekümmerter Miene. »Nicht viel zu tun leider; aber das Fischen ist wirklich gut.«
    Den Priester, der ihn mit dem ernsten Blick eines Säuglings anstarrte, suchte irgendeine vage Ahnung heim, die sich jeder Beschreibung entzog. Er sah das graue, sorgfältig gekräuselte Haar an, das gelbweiße Gesicht, die schlanke, etwas stutzerhafte Gestalt. Alles das war nicht unnatürlich, wenngleich vielleicht etwas zu akzentuiert, wie die Ausstattung einer Gestalt hinter den Rampenlichtern. Das namenlose Interesse lag woanders, im Knochenbau des Gesichtes; Brown quälte die halbe Erinnerung daran, es irgendwo zuvor gesehen zu haben. Der Mann sah aus wie ein alter Bekannter, der sich verkleidet hat. Dann dachte er an die Spiegel und führte seine Ahnung auf irgendwelche psychologischen Effekte jener Multiplikation menschlicher Masken zurück.
    Prinz Saradine verteilte seine gesellschaftlichen Aufmerksamkeiten zwischen seinen Gästen mit großer Fröhlichkeit und feinem Takt. Als er entdeckte, daß der Detektiv sportlichen Ehrgeiz

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