Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
ich Sie jetzt töten werde. Sie und meine lasterhafte Mutter fuhren mit ihm zu einem einsamen Paß auf Sizilien, stürzten ihn eine Klippe hinab und gingen Ihrer Wege. Ich hätte Sie nachahmen können, wenn ich wollte, aber Sie nachzuahmen ist zu verächtlich. Ich bin Ihnen um die ganze Welt gefolgt, und Sie sind immer wieder vor mir geflohen. Aber hier ist das Ende der Welt – und Ihres. Nun habe ich Sie, und ich biete Ihnen die Chance, die Sie meinem Vater nie gaben. Wählen Sie einen dieser Degen.«
Prinz Saradine schien mit zusammengezogenen Brauen einen Augenblick zu zögern, aber ihm klangen die Ohren immer noch von dem Schlag, und er sprang vor und packte einen der Griffe. Father Brown war ebenfalls vorgesprungen, bemüht, den Streit zu schlichten; aber bald erkannte er, daß seine Anwesenheit die Angelegenheit nur schlimmer machte. Saradine war französischer Freimaurer und glühender Atheist, und ein Priester bewegte ihn durch das Gesetz des Gegensatzes nur vorwärts. Und was den anderen Mann anging, so bewegte ihn weder Priester noch Laie. Dieser junge Mann mit dem napoleonischen Antlitz und den braunen Augen war etwas viel Strengeres als ein Puritaner – er war ein Heide. Er war ein einfacher Töter aus der Frühzeit der Erde; ein Mann der Steinzeit – ein Mann aus Stein.
Nur eine Hoffnung blieb noch, der Aufruf des Haushaltes; und Father Brown rannte zurück ins Haus. Dort aber entdeckte er, daß allen Unterbediensteten vom autokratischen Paul ein Ferientag auf dem Festland gegeben worden war und daß sich lediglich die düstere Frau Anthony ruhelos durch die langen Räume bewegte. In dem Augenblick aber, in dem sie ihm ihr geisterbleiches Gesicht zuwandte, löste er eines der Rätsel des Hauses der Spiegel. Die schweren braunen Augen Antonellis waren die schweren braunen Augen von Frau Anthony, und blitzartig erkannte er die Hälfte der Geschichte.
»Ihr Sohn ist draußen«, sagte er, ohne Worte zu verschwenden; »entweder wird er getötet, oder der Prinz. Wo ist Mr. Paul?«
»Er ist am Landungssteg«, sagte die Frau schwach. »Er ist – er ist – er signalisiert um Hilfe.«
»Frau Anthony«, sagte Father Brown tiefernst, »jetzt ist nicht die Zeit für Unsinn. Mein Freund ist mit seinem Boot den Fluß hinab zum Angeln. Ihres Sohnes Boot wird von Ihres Sohnes Männern bewacht. Da ist nur noch dieses eine Kanu; was macht Mr. Paul mit ihm?«
»Santa Maria! Ich weiß es nicht«, sagte sie; und brach bewußtlos der Länge nach auf den Boden nieder.
Father Brown hob sie auf ein Sofa, schüttete einen Topf Wasser über sie, rief nach Hilfe und rannte dann hinab zum Landungssteg der kleinen Insel. Aber das Kanu war schon inmitten des Flusses, und der alte Paul ruderte und stieß es flußauf mit einer für seine Jahre unglaublichen Energie.
»Ich will meinen Herrn retten«, schrie er, und seine Augen glommen wie die eines Wahnsinnigen. »Ich werde ihn noch retten!«
Father Brown konnte nicht mehr tun, als dem Boot nachzustarren, wie es sich flußauf kämpfte, und beten, daß der alte Mann die kleine Stadt noch rechtzeitig alarmieren könne.
»Ein Duell ist schlimm genug«, murmelte er und fuhr sich durch sein borstiges staubfarbenes Haar, »aber da ist etwas falsch mit diesem Duell, sogar als Duell. Ich spür es in den Knochen. Aber was kann das sein?«
Als er so dastand und ins Wasser starrte, in den wabernden Spiegel des Sonnenuntergangs, hörte er vom anderen Ende des Inselgartens ein leises aber unverkennbares Geräusch – das kalte Klirren von Stahl. Er wandte den Kopf.
Weit draußen an der fernsten Spitze der langen Insel hatten auf einem Rasenstreifen hinter der letzten Rosenreihe die Duellanten die Degen gekreuzt. Der Abend über ihnen war ein Dom aus jungfräulichem Gold, und so ferne sie auch waren, eine jede Einzelheit blieb klar erkennbar. Sie hatten ihre Röcke abgeworfen, aber die gelbe Weste und das weiße Haar Saradines, die rote Weste und die weißen Hosen Antonellis schimmerten im waagrechten Licht wie die Farben tanzender Aufziehpuppen. Die beiden Degenspitzen funkelten von der Spitze zum Knauf wie zwei Diamantnadeln. Es war etwas Fürchterliches an den beiden Gestalten, die da so klein erschienen und so fröhlich. Sie sahen aus wie zwei Schmetterlinge, die einander auf Korken zu spießen versuchten.
Father Brown rannte so schnell er nur konnte, seine kurzen Beine wirbelten wie Räder. Aber als er zum Kampfplatz kam, sah er, daß er zu spät und zu früh kam – zu spät, um
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