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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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sagte der Kurat zu dem katholischen Priester:
    »Sie haben sich sehr für den Hammer interessiert, Father Brown.«
    »Ja«, sagte Father Brown; »warum ist es ein so kleiner Hammer?«
    Der Doktor wandte sich rasch zu ihm um.
    »Bei Gott, das stimmt«, rief er; »wer würde einen kleinen Hammer nehmen, wenn zehn größere Hämmer herumliegen?«
    Dann senkte er seine Stimme und flüsterte dem Kuraten ins Ohr: »Nur jene Art Menschen, die einen großen Hammer nicht heben können. Zwischen den Geschlechtern gibt es keinen Unterschied an Kraft oder Mut. Es ist eine Frage der Hebekraft in den Schultern. Eine mutige Frau könnte zehn Morde mit einem leichten Hammer begehen, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie könnte mit einem schweren Hammer keinen Käfer töten.«
    Wilfred Bohun starrte ihn in hypnotisiertem Entsetzen an, während Father Brown mit dem Kopf ein wenig zur Seite geneigt zuhörte, wirklich interessiert und aufmerksam. Der Doktor fuhr mit zischenderer Betonung fort:
    »Warum glauben diese Idioten immer, der einzige Mensch, der den Liebhaber der Frau hasse, sei der Mann der Frau? In neun von zehn Fällen haßt den Liebhaber der Frau am meisten die Frau. Wer weiß, welche Unverschämtheit oder Verräterei er ihr angetan hat – sehen Sie?«
    Er wies flüchtig auf die rothaarige Frau auf der Bank. Sie hatte endlich ihren Kopf erhoben, und Tränen trockneten auf ihrem schönen Angesicht. Aber ihre Augen waren mit einem solch elektrisierten Starren auf die Leiche gerichtet, daß es fast etwas Geistesschwaches an sich hatte.
    Hochwürden Wilfred Bohun machte eine schlappe Geste, als wedele er alle Wißbegierde beiseite; aber Father Brown, der von seinem Ärmel etwas Asche aus der Esse abstaubte, sprach in seiner gleichgültigen Weise.
    »Sie sind wie viele Ärzte«, sagte er; »Ihr geistiges Wissen ist wirklich beeindruckend. Aber Ihr physisches Wissen ist absolut unmöglich. Ich gebe zu, daß die Frau den Liebhaber weit öfters zu töten wünscht als der Betrogene. Und ich gebe zu, daß eine Frau immer einen kleinen Hammer statt eines großen ergreifen wird. Aber die Schwierigkeit ist eine der physikalischen Unmöglichkeit. Keine Frau auf Erden hätte jemals den Kopf eines Mannes dermaßen zermalmen können.« Dann fügte er nach einer Pause nachdenklich hinzu: »Diese Leute haben es immer noch nicht begriffen. Der Mann trug einen Eisenhelm, und der Hieb sprengte ihn wie zerbrochenes Glas. Sehen Sie sich die Frau an. Sehen Sie ihre Arme an.«
    Schweigen umfaßte sie wieder alle, und dann sagte der Doktor etwas verdrießlich: »Na schön, vielleicht habe ich mich geirrt; Einwände gibt es immer. Aber ich halte an der Hauptsache fest. Kein Mensch außer einem Schwachkopf würde sich den kleinen Hammer greifen, wenn er einen großen Hammer nehmen könnte.«
    Da fuhren die schlanken zitternden Hände Wilfred Bohuns hoch zu seinem Kopf und schienen sich in sein dünnes blondes Haar zu verkrampfen. Nach einem Augenblick fielen sie wieder herab, und er rief: »Das war das Wort, das ich erwartete; Sie haben das Wort gesagt.«
    Dann fuhr er fort und meisterte seine Fassungslosigkeit: »Die Worte, die Sie sagten, waren: ›Kein Mensch außer einem Schwachkopf würde sich den kleinen Hammer greifen.‹«
    »Ja«, sagte der Doktor. »Und?«
    »Nun«, sagte der Kurat, »kein Mensch, sondern ein Schwachkopf tat es.« Die übrigen starrten ihn wie mit festgehefteten Blicken an, und er fuhr in fiebriger femininer Erregung fort:
    »Ich bin ein Priester«, rief er mit unsicherer Stimme, »und ein Priester sollte kein Blutvergießer sein. Ich – ich meine, daß er niemanden an den Galgen bringen sollte. Und ich danke Gott, daß ich den Verbrecher jetzt klar erkenne – denn er ist ein Verbrecher, der nicht an den Galgen gebracht werden kann.«
    »Sie wollen ihn nicht anzeigen?« fragte der Doktor.
    »Er würde nicht gehängt werden, selbst wenn ich ihn anzeigte«, sagte Wilfred mit einem wilden aber sonderbar glücklichen Lächeln. »Als ich heute morgen in die Kirche ging, fand ich dort einen Verrückten betend vor – den armen Joe, der all seine Lebtage verrückt war. Gott weiß, was er betete; aber bei solchen sonderbaren Leuten darf man ruhig annehmen, daß auch ihre Gebete verdreht sind. Sehr wahrscheinlich wird ein Verrückter beten, ehe er einen Menschen tötet. Als ich den armen Joe zuletzt gesehen habe, war er bei meinem Bruder. Und mein Bruder verspottete ihn.«
    »Beim Zeus!« schrie der Doktor. »Das nenne ich endlich

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