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Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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ein gräßlicher Matsch, wie ein Stern aus Schwärze und Blut.
    Wilfred Bohun gönnte dem Ganzen nur einen Blick und rannte dann die Stufen hinab in den Hof. Der Doktor, zugleich der Familienarzt, grüßte ihn, aber er nahm davon kaum Notiz. Er konnte nur stammeln: »Mein Bruder ist tot. Was bedeutet das? Was ist das für ein entsetzliches Geheimnis?« Da war ein unglückliches Schweigen, und dann antwortete der Schuster, der redseligste unter den Anwesenden: »Viel Entsetzliches, Sir«, sagte er, »aber wenig Geheimnisvolles.«
    »Was meinen Sie damit?« fragte Wilfred mit weißem Gesicht.
    »Das ist klar genug«, antwortete Gibbs. »Es gibt nur einen Mann im Umkreis von 40 Meilen, der so einen Hieb geschlagen haben kann, und das ist auch der Mann mit dem meisten Anlaß dazu.«
    »Wir dürfen nicht voreilig urteilen«, warf der Doktor, ein großer schwarzbärtiger Mann, nervös ein; »doch steht es mir durchaus zu, die Meinung von Mr. Gibbs über die Art des Hiebes zu bestätigen, Sir; es muß ein unglaublicher Hieb gewesen sein. Mr. Gibbs sagt, daß nur ein Mann im Distrikt das getan haben kann. Ich selbst würde gesagt haben, daß niemand das getan haben kann.«
    Ein abergläubischer Schauer überlief die schlanke Gestalt des Kuraten. »Ich verstehe nicht ganz«, sagte er.
    »Mr. Bohun«, sagte der Doktor mit leiser Stimme, »hier versagen buchstäblich alle Vergleiche. Es wäre unangemessen zu sagen, daß der Schädel in Stücke zerschlagen wurde wie eine Eierschale. Knochensplitter sind in den Körper und in die Erde getrieben wie Kugeln in eine Lehmwand. Das war die Hand eines Riesen.«
    Er schwieg einen Augenblick und blickte grimmig durch seine Brille; dann fügte er hinzu: »Ein Gutes hat die Sache – das reinigt die meisten sofort von jedem Verdacht. Wenn Sie oder ich oder irgendein anderer normaler Mann in der Gegend dieses Verbrechens beschuldigt würde, würde man uns freisprechen wie ein Kind von der Anklage, die Nelson-Säule gestohlen zu haben.«
    »Das sag ich ja«, wiederholte der Schuster hartnäckig, »nur ein Mann kann das getan haben, und das ist auch der Mann, der es getan haben würde. Wo ist Simeon Barnes, der Schmied?«
    »Drüben in Greenford«, sagte der Kurat zögernd.
    »Viel wahrscheinlicher drüben in Frankreich«, murmelte der Schuster.
    »Nein; er ist weder da noch dort«, sagte eine kleine und farblose Stimme, die von dem kleinen römischen Priester kam, der sich der Gruppe angeschlossen hatte. »Tatsächlich kommt er in diesem Augenblick die Straße herauf.«
    Der kleine Priester mit seinem braunen Stoppelhaar und seinem runden und gleichmütigen Gesicht war keine interessante Erscheinung. Aber selbst wenn er ein strahlender Apoll gewesen wäre, hätte in diesem Augenblick niemand auf ihn geschaut. Jeder wandte sich um und spähte hinaus auf den Fußpfad, der sich unten durch die Ebene wand und über den tatsächlich mit seinen weit ausholenden Schritten und einem Hammer auf der Schulter Simeon der Schmied geschritten kam. Er war ein knochiger riesiger Mann, mit tiefen dunklen finsteren Augen und einem dunklen Kinnbart. Er schritt und unterhielt sich ruhig mit zwei anderen Männern; und obwohl er niemals besonders fröhlich war, erschien er doch völlig unbeschwert.
    »Mein Gott!« rief der atheistische Schuster. »Und da ist auch der Hammer, mit dem er es getan hat.«
    »Nein«, sagte der Inspektor, ein vernünftig aussehender Mann mit sandfarbenem Schnurrbart, der zum erstenmal sprach. »Der Hammer, mit dem er es getan hat, liegt da drüben an der Kirchenmauer. Wir haben ihn und die Leiche genau so gelassen, wie wir sie gefunden haben.«
    Alle sahen sich um, und der kleine Priester ging hinüber und sah schweigend auf das Werkzeug hinab, wo es lag. Es war einer der kleinsten und leichtesten Hämmer und wäre unter den anderen nicht aufgefallen; aber an seiner Eisenkante klebten Blut und blonde Haare.
    Nach kurzem Schweigen sprach der kleine Priester ohne aufzublicken, aber mit einem neuen Klang in seiner langweiligen Stimme. »Mr. Gibbs hatte nicht recht«, sagte er, »als er sagte, es gebe kein Geheimnis. Da ist zum mindesten das Geheimnis, warum ein so großer Mann einen so gigantischen Hieb mit einem so kleinen Hammer versuchen sollte.«
    »Ach, das ist doch ganz gleichgültig«, rief Gibbs voller Eifer. »Was sollen wir mit Simeon Barnes machen?«
    »Ihn in Frieden lassen«, sagte der kleine Priester ruhig. »Er kommt von selbst hierher. Ich kenne die beiden Männer bei ihm.

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