Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
Gesichtsfarbe des Opfers, dazu brauchte sie die Spurensicherung nicht.
Jessica wusste, die Spurensicherung würde an einem Samstagmorgen alle Hände voll zu tun haben. Gemischte Teams aus Zivilisten und Polizeibeamten wurden in ganz Manchester eingesetzt, was immer wieder ungünstige Arbeitszeiten und lange Wege bedeutete. Samstag- und sonntagmorgens war es am schlimmsten. Sie mussten das Chaos aufräumen, das die Feiernden zurückgelassen hatten, und sich mit den Folgen der im Alkoholrausch begangenen Bluttaten auseinandersetzen.
In den Krimiserien im Fernsehen wurde die Arbeit der Spurensicherung immer als unheimlich spannend dargestellt, aber Jessica hatte ihre Zweifel, ob es wirklich so toll war, ständig durch dieganze Stadt zu flitzen, noch dazu meistens im Regen, um wegzuräumen, was irgendwelche Besoffenen angerichtet hatten.
Sie ging nicht weiter in das Zimmer, denn sie konnte alles von der Tür aus sehen und wollte den Tatort nicht kontaminieren. Sie drehte sich zu ihrem Detective Inspector um, der immer noch wegschaute. »Das sieht aber ziemlich böse aus. Wissen wir, wer sie ist?«, fragte Jessica.
»Höchstwahrscheinlich. Das Haus gehört einer Yvonne Christensen. Eine Freundin von ihr hat uns vor zwei Tagen angerufen und gesagt, sie habe sie seit ein paar Tagen nicht gesehen und dass anscheinend niemand zu Hause sei, obwohl ihr Auto vor der Tür steht. Wir haben gestern eine Streife vorbeigeschickt, aber es hat sich niemand gemeldet. Deshalb sind sie heute Morgen mit dem Zugriffsteam wiedergekommen.«
»Bisschen früh für die, oder?«
»Die waren schon wegen einer anderen Sache unterwegs, einer Drogenrazzia. Sie wissen ja, wie sehr im Moment auf Geld geachtet wird. Sicher hat man sich gedacht, wenn sie zwei Jobs auf einmal erledigen, wird’s billiger.«
Jessica überlegte kurz und fragte dann: »Wohnt hier sonst noch jemand?«
»Wissen wir nicht so genau. Sieht aus, als hätte sie schon ein paar Tage da gelegen, also wahrscheinlich nicht.«
Cole drehte sich nicht einmal um, während er sprach. Er stützte sich mit beiden Händen oben am Treppengeländer ab. »Den Fall haben wir jetzt am Hals«, sagte er leise.
Nur wenige Worte, aber Jessica war klar, was er damit eigentlich sagen wollte. Sie wusste, er würde nicht allzu viel mit den schaurigen Einzelheiten des Falls zu tun haben wollen, würde aber auf seine Weise mithelfen und die Ermittlungen von der Wache aus leiten. Die Arbeit vor Ort würde er ihr überlassen.
»Und wer ist diese Freundin?«, fragte Jessica.
»Eine Frau, mit der sie in so einem Abnehmclub war. Sie wohnt ein paar Häuser weiter. Ein paar Uniformierte sind bei ihr, aber sie weiß noch nicht Bescheid. Dave hat ihren Namen.«
Wieder nur so eine Andeutung: Sag du’s ihr.
Jessica ging an ihm vorbei die Treppe hinunter. Die Einrichtung des Hauses wirkte nun viel trister als noch kurz zuvor. Sie traf Rowlands an der Haustür und fragte ihn: »Hast du Namen und Adresse der Freundin, die angerufen hat?«
»Mhm.« Er holte ein Notizbuch aus der Tasche und blätterte darin. »Stephanie Wilson«, sagte er, klappte das Buch zu und steckte es wieder weg. »Sie wohnt hier in der Straße.«
»Kannst du mitkommen, um mit ihr zu reden?«
»Klar.«
»Hoffentlich steht sie nicht zu sehr unter Schock. Deine Frisur würde ihr den Rest geben.«
Trotz der Frotzelei wussten sie, jetzt war Ernsthaftigkeit angesagt. Beide duckten sich unter dem Absperrband hindurch und Rowlands wies nach rechts. Mrs Wilson wohnte etwa hundert Meter weiter auf der anderen Straßenseite. Jessica fand es erstaunlich warm für die Uhrzeit und Jahreszeit, denn es war noch lang kein Sommer. Sie bemerkte, dass sich hie und da die Gardinen bewegten, als sie die Straße entlanggingen. Bei den Streifenwagen vor dem Haus des Opfers und der deutlich sichtbaren Polizeipräsenz war das nicht weiter verwunderlich. Aber falls die Nachbarn auf ein aufregendes Spektakel hofften, würden sie schwer enttäuscht werden, denn die Leiche würde später unter einer Decke verborgen abtransportiert.
Vielleicht lag es ja daran, dass sie ständig mit Verbrechen zu tun hatte, aber Jessica konnte einfach nicht verstehen, was die Leute so interessant daran fanden, wenn irgendwo die Polizei auftauchte. Warum fuhren manche an einer Unfallstelle auf der Autobahn langsamer, nur für den Fall, dass es vielleicht Blut oder sonst irgendetwas zu sehen gab? Oder warum bildete sich bei einer brutalen Prügelei immer ein Kreis von
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