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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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grundsätzlich widerlegbar bleiben sollte, damit sie nicht zum Dogma gerät. Wenn eine andere Deutung die zwölf aufgelisteten Eigenschaften des Drachen und die Begleitumstände besser als die hier vorgelegte begründen kann, ist das (selbstverständlich auch von mir) zu akzeptieren. Ein bloßes »es könnte auch anders gewesen sein!« reicht jedoch als Gegenargument nicht aus. Bei den Einwänden seitens der Psychologie oder der mythologischen Forschung wird daher vor allem zu prüfen sein, was eine wie auch immer geartete Grundkenntnis des Drachen als Wesen bereits voraussetzt und in eine nachträgliche (Um)Deutung mit einfließen lässt, und was wirklich (bzw. hinreichend wahrscheinlich) als Ursprung des Drachenmythos feststeht. Allzu schnell gerät man ansonsten in die Falle der »Henne-und-Ei-Problematik«. Vielleicht erscheint meine Erklärung des Drachen zu banal. Doch kompliziert lässt sich alles machen. Als wahrscheinlichste Lösung gilt jene, die mit der geringsten Zahl von zusätzlichen Annahmen auskommt und kritisch überprüfbar bleibt. Ist die Deutung so strukturiert, dass sie mit besseren Fakten widerlegt werden kann und nicht geglaubt werden muss, erfüllt sie die Grundkriterien einer wissenschaftlichen Hypothese. Ob die »Lösung« den Wunschvorstellungen entgegenkommt oder nicht, bewegt sich auf einer anderen Ebene jenseits der (natur)wissenschaftlichen Erörterung.

Die Motivation
    Mit der plausiblen Verknüpfung der typischen Eigenschaften des Drachen mit Menschen, die ihn buchstäblich als Deckmantel benutzten, um ungestört ihre bergmännische Suche nach Edelsteinen und Gold ausführen zu können, erklärt sich die wohl wichtigste Motivation, die hinter dem Drachen stand: Geheimhaltung. Die Bergleute wollten nicht, dass ihr Tun der örtlichen Bevölkerung bekannt wurde. Sie hatten gute Gründe, diese einzuschüchtern und von ihren Höhlen fernzuhalten. Im Film James Bond – 007 jagt Dr. No von 1962 dient ein mechanischer, panzerartiger Drache diesem Zweck der Geheimhaltung durch Einschüchterung. Das dröhnende Fahrzeug spuckt Feuer über Flammenwerfer, ist gepanzert und drachenartig gestaltet. Es verängstigt die Menschen jener (fiktiven) Karibikinsel so sehr, dass sie das verbotene Gelände nicht aufzusuchen wagen, auf dem die Rauschgiftpflanzungen angelegt sind. Der edle Ritter im Dienste Ihrer (britischen) Majestät, der Geheimagent 007, durchschaut den Trug und besiegt schließlich den/das Böse/n. Rauschgift hier, Edelsteine dort; es waren und sind Schätze, die von »Drachen« in den jeweils zeitbedingten Formen geschützt werden. Der Vergleich mit dem James-Bond-Film deckt nun eine Schwäche in meiner bisherigen Erklärung zum Drachen auf. Dr. No ist der große Rauschgiftdealer Mr. Big im Süden der Vereinigten Staaten. Für sein vom Panzerwagen-Drachen auf der Insel geschütztes Produkt gibt es Abnehmer in einem anderen, einem reichen Land. Seine Männer stammen von dort, jedenfalls nicht von der Insel, um die es geht. Auf dieser sind sie Fremde. Ihr Tun hier bringt dort, in den USA, den großen Gewinn. Sie haben wie ihr Anführer Dr. No eine unmittelbare (= proximate) Motivation und ein viel weiter reichendes (= ultimates) Ziel. Die unmittelbare dient dem Schutz des Produkts. Das dazu Nötige verkörpert der Drache. Die eigentliche Zielsetzung steckt im letztendlich zu erwartenden, späteren Gewinn an anderer Stelle. Sie verkörpert die ultimate Motivation. Wenden wir dieses Grundmuster, dem sehr viele Abläufe im evolutionsbiologischen und ökologischen Bereich entsprechen, nun auf das zur Diskussion stehende Fabelwesen Drache an, so fehlt in meiner Deutung das wichtigste Stück, nämlich:
    Woher kamen die Schatzsucher?
    Wohin gingen sie mit ihren Schätzen?
    Weshalb kannten sie die Stellen, an denen die Suche lohnte?
    Warum wussten die Einheimischen nichts vom Reichtum, der in ihren Bergen steckte?
    Wer waren diese Menschen, die sich der Tarnung des Drachen bedienten?
    Die bisher vermeintlich vollständige Erklärung war also im Oberflächlichen (im Proximaten) steckengeblieben. Noch fehlen überzeugende Antworten auf die obigen ultimaten Fragen, um zu einer wirklich umfassenden Deutung der Drachen zu kommen. Die unmittelbare Motivation reicht dazu nicht.

Die Schatzsucher
    Die Annahme, dass es sich bei den Drachen um Menschen gehandelt hatte, die sich der Verkleidung bedienten, um ihren Zwecken möglichst ungestört nachgehen zu können, hat zweifellos viel für sich. So

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