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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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(!) bis nach Schottland und in Teilen Skandinaviens sowie in den Alpen im Bereich des sogenannten Tauernfensters (Urgestein), des steirischen Erzberges und in der Schweiz im zentralalpinen Hochgebirge vorgekommen sein. Also überall dort, wo eben das entsprechende Gestein vorkommt. Die geologischen Gegebenheiten bilden das Grundraster für das einstige Auftreten von Drachen, die sich allerdings in ihrer verselbständigten Form von Drachenerzählungen weiter ausbreiteten und dabei verformten. Je weniger konkret die auf fernliegenden Erfahrungen beruhenden Kenntnisse waren, desto freier konnten die Drachen in alle nur denkbaren Formen mutieren.
    Nach diesen Erwägungen verbleiben noch zwei Eigenschaften, die es zu erklären gilt. Die eine der beiden bezieht sich auf den Drachenkopf voller schrecklicher Zähne im riesigen Rachen, der Feuer spie, nach Schwefel stank und giftigen »Atem« von sich gab. Feuer und Schwefel können von keinem lebenden Wesen ausgestoßen werden, auch nicht von den Feuerspeiern und -schluckern unter den Gauklern und Schaustellern auf Jahrmärkten. Diese müssen sich bekanntlich entsprechender Hilfsmittel (brennbarer Flüssigkeiten) bedienen. Betrachten wir den »Atem« als giftige Dämpfe, gibt es Erklärungen, welche den alten Überlieferungen durchaus plausibel entsprechen. Alle drei passen zusammen, wie sich zeigt, wenn im Drachenkopf, der wie ein riesiger Hundekopf mit eisernen Zähnen drohte, Feuer gemacht und nach draußen geblasen werden konnte. Das geht verhältnismäßig leicht mit einer tragbaren Esse und Blasebalg. Wird zusammen mit den Kohlestücken Schwefel verbrannt, der sich in den vulkanischen Regionen beim Bergbau finden ließ, und Salpeter hinzu gemischt, entstehen beißende, giftige Gase, während der Blasebalg Flammen schlägt, die nach draußen züngeln. Einfaches Schwarzpulver besteht aus Kohlepulver und Salpeter. Jahrhundertelang ist es zum Sprengen im Fels und als Pulver für die alten Gewehre benutzt worden. Nach Art von Feuerwerksraketen verpackt und über eine hinreichend lange Zündschnur angezündet, lassen sich »raketengetriebene« Drachen von Berghängen abschießen und über das Tal fliegen. Sie stellten gewiss ein ebenso beeindruckendes, wie furchterregendes Erlebnis für die Bewohner der Täler dar, die keine Ahnung hatten, worum es sich handelte. Den nachgebildeten Drachen späterer Jahrhunderte dichteten sie konsequenterweise die Flügel an. Dass die weit übermenschengroßen Fabelwesen nie und nimmer hätten mit Flügeln fliegen können, spielte keine Rolle mehr, als die Drachen zum Mythos geworden waren.
    Eine andere, in der Antike bekannte und dann wieder völlig in Vergessenheit geratene Möglichkeit, Feuer zu »speien«, stammte vom »griechischen Feuer«. Grundlage war Petroleum, das entzündet und ähnlich wie mit Flammenwerfern auf gegnerische Schiffe oder in befestigte Städte hineingeschleudert wurde. Die Griechen waren mit dieser Technik vertraut. Thukydides zufolge, der etwa von 460 bis 400 v.Chr. lebte, benutzten 424 v.Chr. die Böotier im Peloponnesischen Krieg eine Art Flammenwerfer als »Feuermaschine«, als sie Delion belagerten. Jochen Gartz (2007) führt dazu aus und zitiert: Thukydides’ »Beschreibung erinnert an einen modernen Flammenwerfer. In einem mit Blasebalg versehenen Bronzekessel tauchte ein eisenbeschlagenes Holzrohr in die Brandmischung ein, das durch Drehung auf beliebige Ziele gerichtet werden konnte: … als die Bedienungsmannschaft an dem Ort angekommen war, ließ sie den Blasebalg stark spielen und blies in den Kessel. Da nun der Wind in den Kessel ging, in dem sich glühende Kohlen, Schwefel und Erdharz befanden, wurde dadurch eine so gewaltige Flamme entfacht, die gegen die Mauer schlug, dass niemand mehr auf dem Wall bleiben konnte, sondern die Krieger die Flucht ergriffen.«
    Weiter stellt Jochen Gartz fest, dass sich »die Anwendung von Brandgemischen unter Zusatz von leicht entflammbaren Substanzen wie Schwefel, Harzen, Ölen oder Erdpech (Asphalt) für Indien und China bis in das 2. Jahrtausend v.Chr. zurückverfolgen lässt«. Wenn Drachen Feuer spien, dann erregte diese Fähigkeit verständlicherweise unter den in den abgeschiedenen Bergregionen Europas lebenden Menschen Angst und Schrecken. Die wahre Natur der Drachen ließ sich hinter dem Feuerspeien bestens verbergen. Die Verkleidung brauchte gar nicht so perfekt sein, weil die Angst keine genaueren, kritischen Blicke zuließ.
    Erst im Zuge ihrer

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