Einige werden überleben
„Ich hab’ darauf gewartet.“ Er bewegte sich leicht. „Ich habe ein schreckliches Durcheinander hinterlassen. Er hat sich schneller entschlossen, als ich dachte.“ Er richtete sich auf, und seine gesprungenen Fingernägel kratzten an seinem Hemd entlang. „Ich weiß jetzt nicht … du mußt jetzt irgendwie ohne mich herauskommen. Ich kann dir nicht helfen. Warum bin ich nur so alt?“
„Das geht schon klar, Kommandant. Ich habe mir etwas überlegt. Ich komme schon durch.“
„Du wirst eine Waffe brauchen.“ Der Kommandant hob seinen Kopf und zog die Schultern zurück. „Hier.“ Er zerrte an seiner Brust und gab Custis ungeschickt das nasse Messer in die Hand.
Sechstes Kapitel
Dies ist New York, eine Reihe von Jahren vorher, und dies ist geschehen:
1
Bob Garvin sah zu, als die Armee abzog. Er hatte seine Hände in die Taschen gesteckt, und in seinen Augen brannte ein seltsames Feuer. Er wartete, bis der letzte LKW von der Vierzehnten Straße abgebogen und in der Richtung des Lincoln-Tunnels weitergefahren war, bis der letzte Soldat abmarschiert, bis der letzte Lichtblitz auf den Gewehrläufen verschwunden war. Dann erst trat er zurück, entschuldigte sich bei dem Bürger, den er dabei angestoßen hatte, und ging zu der Gruppe hinüber, die sich um Brent Mackay geschart hatte.
„Morgen, Bürgermeister“, sagte er.
„Ah, guten Morgen, Stadtrat! Auch hier draußen wie wir anderen, sehe ich.“ Mackay war ein seltsamer Mensch. Er sah so mager und hart wie nur irgendeiner aus, aber innerlich war er weich – wie ein Windsack, der so fest aufgeblasen ist, daß das Tuch straff gespannt und hart aussieht, trotzdem aber nur mit Luft gefüllt ist.
„Muß ja schließlich den tapferen Soldaten zum Abschied zuwinken, meinen Sie nicht auch?“ sagte Bob.
Ein Mann aus der Gefolgschaft des Bürgermeisters – ein stahläugiger Mensch namens Mert Hollig – lachte metallisch. Eine Welle von hämischem Gelächter lief durch die Gruppe.
„Na“, sagte Bob Garvin, „dann wollen wir uns mal wieder an die Arbeit machen. Hier in der Stadt gibt es schließlich immer noch eine Regierung, selbst wenn der Kronprinz sich wieder auf die Jagd gemacht hat.“
Mackay nickte hastig. „Selbstverständlich! Sie haben völlig recht, Stadtrat.“ Er drehte sich zu den übrigen Mitgliedern des Stadtrats und ihren Assistenten um. „Also los, Leute! Zurück in die Galeeren! Das Kanalisationsprojekt muß angegangen werden.“
„Äh … Bürgermeister …“, warf Garvin leise ein.
„Ja, bitte, Stadtrat?“
„Ich würde eigentlich meinen, daß dies noch ein bißchen Zeit hat. Rom wurde ja schließlich auch nicht an einem Tag erbaut. Ich hätte ganz gerne die Frage der Stimmberechtigung für die Wahl heute morgen geklärt.“
„Aber sicher, Stadtrat!“ Mackay lachte verbindlich. „Wissen Sie, das war mir doch tatsächlich entfallen. Vielen Dank, daß Sie mich daran erinnert haben.“
„Keine Ursache, mein Bester.“
Die Vereinigungsarmee nahm Trenton ohne Schwierigkeiten. In Philadelphia stieß sie auf heftigen Widerstand, und Berendtsen überlegte, ob es nicht besser gewesen wäre, in das südliche New Jersey einzudringen, statt daran vorbeizuziehen. Aber eine flankierende Marschkolonne schlug sich schließlich von Chester aus nach oben durch, und die Stadt fiel. Kurz darauf fiel Camden ebenso, und damit war die Strategie des schnellen Vormarschs gerechtfertigt. Nachdem einmal eine starke Stellung in dem Camden-Philadelphia-Bezirk eingerichtet war, mußte das südliche New Jersey zwangsläufig schrittweise in der Union aufgehen. Die Verlustquote konnte so weit niedriger gehalten werden, und Wochen an wertvoller Zeit waren gespart worden.
Die Armee drängte nach Süden.
Bob Garvin genoß das Essen seiner Mutter und aß langsam. Er lächelte ihr zärtlich zu, als sie ihm eine weitere Portion Kartoffeln auf seinen Teller gab. „Vielen Dank, Mama, aber ich bin so gut wie satt.“
„Schmecken sie dir nicht?“ fragte seine Mutter besorgt.
„Doch, doch sie sind ganz hervorragend, Mama!“ protestierte er. „Aber der Platz ist eben beschränkt, und von dem Kürbiskuchen möchte ich auch noch etwas.“
Mary sah in mit beißendem Spott an. „Privatleben des Politikers“, sagte sie. „Der populäre Kandidat für den Stadtratsposten aus dem sechsten Bezirk liebt die Hausmannskost. Geht am Abend vor den Kommunalwahlen nach Hause, weil Mama ihm Kuchen gebacken hat.“
„Mary!“ Margaret
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