Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einige werden überleben

Einige werden überleben

Titel: Einige werden überleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Algis Budrys
Vom Netzwerk:
Garvin sah ihre Tochter vorwurfsvoll an. Mary schaute auf ihren Teller herab. „Tut mir leid, Mutter.“
    „Ich kann einfach nicht verstehen, was du in letzter Zeit hast.“
    Margaret Garvin sagte es mit beunruhigtem Gesicht. „So warst du doch früher nicht.“
    Mary zuckte die Achseln. „Niemand ist so, wie er früher war.“ Sie spielte mit ihrem Messer. „Aber es tut mir leid, ich werd’s nicht wieder tun.“
    Margaret Garvin sah ihren Sohn besorgt an. Bob lächelte leicht, wie er es oft zu tun schien. Er war offensichtlich völlig unempfindlich gegen alles, was seine Schwester sagen mochte.
    „Also …“, begann Margaret Garvin unentschlossen. Sie runzelte die Stirn, als ihr klarwurde, daß sie keine Ahnung hatte, was sie sagen wollte. So war es ihr immer häufiger gegangen, seit Matt …
    Matt war nicht mehr da. Es war sinnlos, sich selbst weh zu tun, indem man daran dachte. Er war nicht mehr da, aber sie war da. Und wenn sie seine Kraft auch jeden Tag mehr vermißte – jeder wurde eben irgendwann alt.
    „Ich geh’ mal rüber und besuche Carol Berendtsen“, sagte sie schließlich. „Ihr Kinder könnt euch den Nachtisch ohne Schwierigkeiten selber holen. Die arme Frau ist ja wirklich zu einem Schatten abgehärmt.“
    Ted fehlte ihr. Ihr Sohn war zu ihrem Lebensinhalt geworden, seit Gus …
    Sie wollte nicht an den Tod denken!
    … seit Carol Gus nicht mehr hatte. Und wo Ted war, das wußte keiner. Man hörte nur dann und wann in einem Bericht über Funk davon, daß diese Stadt belagert, jene erobert worden war. Und mehr als das … Mehr als das – es war das gleiche, das den Schmerz in Marys Augen brachte. Frau und Mutter, beide fragten sich, was in dem Mann vorging, den die eine geboren und die andere geheiratet hatte, den aber keine von beiden verstand.
    Margaret Garvin stand auf. Ihr eigener ältester Sohn, Jim, war bei Ted. Vielleicht sollte sie sich ebenfalls Gedanken machen. Aber über Jim machte sie sich nie Sorgen. Jim war wie ein alter Balken, der ein Gebäude stützte. Nichts konnte ihn verletzen, nichts ihn erschüttern. Jim kam schon durch. Nie Sorgen? Nun, ganz stimmte dies nicht. Sie wußte, daß Jim ebenso schwach wie irgendein anderer Mensch war. Ein Geschoß konnte ihn niederstrecken. Aber Jim war nicht der komplexe, empfindliche Organismus, der Ted oder Bob war. Es war unmöglich, von ihm anzunehmen, daß ein leichter Schock den gesamten Mechanismus stören könnte, wie das bei den beiden anderen möglich war.
    „Bist du noch da, wenn ich zurückkomme, Bob?“ fragte sie.
    Bob schüttelte bedauernd den Kopf. „Ich fürchte, nein, Mama. Ich brauche vor morgen noch meinen Schlaf. Wähle früh und oft, du weißt ja.“ Er lachte ungezwungen.
    Sie ging zu ihm hinüber und gab ihm einen Gutenachtkuß. „Paß gut auf dich auf, Bob“, sagte sie sanft.
    „Mache ich immer, Mama.“
    Nachdem seine Mutter gegangen war, warf Bob einen Blick zu Mary hinüber. Mary Berendtsen starrte mit verlorenen Augen wie aus weiter Ferne ihre Teetasse an.
    „Machst du dir Gedanken wegen Ted?“ fragte Bob sanft.
    Mary sah ihn nicht an. Ihr Mund verzog sich zu einem dünnen Strich.
    „Ich habe mit dir keinen Streit“, sagte er aufrichtig.
    „Du hast ihn aber mit meinem Mann!“
    Bob schüttelte heftig den Kopf. „Nicht mit ihm. Mit seinen Idealen. Seinen sozialen Theorien, wenn du so willst.“
    Mary sah auf und lächelte dünn. „Dann erzähle du einmal mir, wo das eine anfängt und das andere aufhört.“
    Bob zuckte die Achseln. „Deshalb sieht es auch so aus, als würde ich ihn persönlich hassen. Aber das ist nicht wahr! Das weißt du.“
    „Wenn du damit durchkommen würdest, dann würdest du ihn umbringen lassen. Wenn du ihn hättest umbringen lassen können, dann hättest du dies sogar schon vor zwei Jahren getan, als er aus dem Norden zurückkam.“
    Bob nickte. „Das gebe ich zu. Aber nicht, weil ich ihn hasse – oder, da wir schon mal davon sprechen, nicht bewundere. Weil er für die vorherrschende soziale Theorie steht. Eine Theorie, die uns zu den Höhlen und Heckenschützen zurückwerfen wird, wenn sie weiter verfolgt wird.“
    „Halt mir hier keine Wahlreden!“ schnappte Mary. „Die kannst du dir bei mir sparen! Worauf es doch eigentlich ankommt, ist, daß trotz Mackay, trotz Polizeichef Merton Hollis und, obwohl du den Stadtrat in der Tasche hast, du eines ganz genau weißt: Wenn Ted auf Dauer zurückkommt, bist du in Sekundenbruchteilen entmachtet. Und dann werden all die

Weitere Kostenlose Bücher