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Einige werden überleben

Einige werden überleben

Titel: Einige werden überleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Algis Budrys
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wolltest du hier wieder herauskommen, nachdem du einmal drinnen warst? Henley ist dir doch keine zwei Cents Papiergeld wert. Du bist der unabhängige Kommandant eines gepanzerten Fahrzeugs, der einen einfachen Auftrag ausführt; was soll also die ganze Mühe, die du dir gibst? Du wußtest doch sicherlich verdammt genau, daß dieser Auftrag nicht im Interesse der Siebten Republik sein konnte. Du bist ein Kind deiner Zeit. Wenn du dir die Zeit genommen hättest, ein bißchen nachzudenken, wäre dir doch klargeworden, was hier gespielt wird. Und die Achte Republik ist dir ebenfalls völlig gleichgültig. Ein Mann schwört nicht einer Zahl aus einer bedeutungslosen Reihe Gefolgschaft. Nein. Du wolltest einem Mann Gefolgschaft schwören, der seit dreißig Jahren tot ist. Streite es nur ab!“
    Custis wußte keine Antwort. Draußen war es dunkel geworden. Er hatte den Faden bis zum Ende verfolgt, jenen, der mit dem Kommandanten und ihm zu tun hatte.
    „Du möchtest, daß ich dir erkläre, ich sei Berendtsen, nicht wahr?“
    „Vielleicht“, gab Custis zögernd zu.
    Wieder lachte der Kommandant – ein harsches, bitteres Krächzen, das Custis die Haare zu Berge stehen ließ. Henley atmete schwer in der Dunkelheit.
    „Du und Henley, ihr seid beide elende Spinner. Was würdest du denn anfangen mit deinem Berendtsen, Joe? Hier oben in den Bergen mit ihm zusammen verhungern – mit einem alten Mann. Was würdest du denn von ihm erwarten, wenn du ihn finden würdest? Glaubst du, er würde hingehen und eine neue Welt für dich aufbauen? Das hat er ja einmal versucht. Vielleicht hat er ja auch Erfolg gehabt, wenn die Menschen hoffen können, bloß weil er gelebt hat.
    Aber was könnte er denn jetzt machen als alter Mann? Seine Art Leben, das ist nur etwas für einen jungen Mann – wenn es überhaupt für jemanden etwas ist.
    Du, Joe – du bist ein anderes Kaliber als der Schakal, der dort neben dir steht. Was hast du denn geglaubt, womit Berendtsen angefangen hat? Was ist denn los mit dir, Custis? Du hast einen Kampfwagen und eine Mannschaft, die überall mit dir hingeht. Wozu brauchst du dann noch einen vorgefertigten Helden?“
    Custis wußte keinerlei Antwort mehr.
    „Mach dir keine Gedanken, Joe – Henley bekommt auch einiges zu hören. Ich kann förmlich die Rädchen in seinem Kopf arbeiten hören. Jetzt im Augenblick überlegt er sich, wie er dich verwenden kann. Er sieht es schon vor sich. Die ganze Maschinerie von Chicago stellt sich auf dich ein. Die Legende, die sie sorgfältig um dich herum aufbauen werden. Der unbezähmbar starke Amerikaner aus der Prärie. Das einzige, was du dabei zu tun hättest, wäre, oben auf der Tribüne zu stehen und zu brüllen, und seine Bande macht den Rest. Genau das denkt er jetzt. Aber um ihn brauchst du dir keine Gedanken machen. Mit ihm wirst du fertig. Das wird noch sehr lange dauern, bevor jemand wie du sich Gedanken um jemanden wie Henley machen muß – noch Jahre. Und ich kann mich hier hinsetzen und dir das alles erzählen, und Henley und Konsorten machen sich keine Gedanken darum, weil sie glauben, sie hätten immer alles im Griff. Wenn er sich natürlich der Legende von Joe Custis ganz sicher sein will, muß er ein für allemal klarstellen, daß Berendtsen nicht zurückkommt …“
    Custis hörte das Geräusch von Stahl, der aus Henleys Stiefelschaft herausglitt. Er sprang dorthin, wo der Mann gestanden hatte, aber Henley hatte Minuten gehabt, um sich vorzubereiten. Custis hörte, wie er gegen den Tisch stieß, und dann das dünne Pfeifen seiner Klinge in der Luft.
    Der Alte war sicher ausgewichen, dachte Custis. Zeit genug hatte er dafür gehabt. Er hörte das satte Geräusch von Henleys Dolch, und dann das dumpfe Geräusch, als das Heft den Widerstand von Fleisch überwand. Er hörte, wie der alte Kommandant seufzte.
    Er blieb ohne Bewegung stehen und atmete mit offenem Mund, bis er hörte, wie Henley sich bewegte. Er griff ihn von unten an, unterhalb der Stelle, wo die Klinge stehen könnte. Als sein erster Schlag landete, flüsterte Henley: „Sei kein Narr! Mach kein Geräusch! Mit ein bißchen Glück können wir hier herausmarschieren!“
    Er nahm Henley mit seinen bloßen Händen auseinander, ohne dabei ein Geräusch von sich oder Henley zuzulassen. Er ließ den Offizier zu Boden gleiten und glitt ohne einen Laut um den Tisch, wo er den Alten zusammengesunken vorfand. Er berührte seine Schulter. „Kommandant …“
    „Schon in Ordnung“, seufzte der alte Mann.

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