Einmal durch die Hölle und zurück
»Kann ich Ihnen eine Frage stellen?«
Sie sieht mich misstrauisch an.
»Warum glauben Sie, dass Reggie für Benjys Tod verantwortlich ist?«
Sie lacht verbittert. »Sie sind doch hier, oder? Und noch eine Menge andere reiche Leute. Reggie holt sich bloß, was er schon immer haben wollte.«
»Glauben Sie, er hat Chris junior und Pfarrer Podominick erschossen?«
»Wollen Sie immer noch behaupten, dass Sie kein Cop sind?«
»Bin ich nicht.«
»Egal. Ja, ich glaube, er war’s.«
»Warum?«
»Aus demselben Grund.«
»Dann haben
Sie
also nichts damit zu tun.«
Debbie schüttelt den Kopf. »Wissen Sie, es gibt keinen Grund, Ihnen zu antworten, aber ich tu’s trotzdem. Ich habe Chris junior und Pfarrer Podominick nicht erschossen. Ich habe den Mord auch nicht in Auftrag gegeben oder in anderer Form zu ihrem Tod beigetragen.«
»Haben Sie Chris junior und Pfarrer Podominick wegen des geplanten Schwindels um das Ungeheuer keine Vorwürfe gemacht?«
»Schätzchen, die beiden hätten nicht mal planen können, wie eine Bowlingkugel fällt, wenn sie sie vom Dach werfen. Ich weiß nicht, wer von ihnen der Dümmere war.«
»Sie glauben, Reggie hat die beiden beeinflusst?«
»So was kann er gut. Er tut es gerade mit Ihnen.«
Ich muss sagen, dass mir das einen leichten Schauer über den Rücken jagt.
»Haben Sie Dylan Arntz kürzlich gesehen?«, frage ich.
»Ich weiß nicht, von wem Sie reden.«
»Das
sollte
verdammt noch mal gesetzwidrig sein.«
»Ist es bisher aber nicht«, sagt Sheriff Albin.
»Und wie viel Kohle kriegst
du
von Reggie, Boss Hogg?«
»Debbie, auf das Niveau lass ich mich nicht ein.«
»Ich rufe die echten Cops.«
»Du weißt, du hast das Recht zu schweigen.«
Ich höre nicht länger zu. Die beiden streiten sich schon eine halbe Stunde, und Sheriff Albin demonstriert seine Fähigkeit, sofort für Langeweile zu sorgen. Doch jetzt, wo ich drüber nachdenke, scheint mir das der Grund zu sein, warum man die Polizei verständigt.
Plötzlich höre ich etwas: der Rotor eines Hubschraubers.
Reggie kommt mit besorgtem Blick von der Empfangshütte rübergelaufen, vor der er gerade telefoniert hat.
»Gleich treffen ein paar VIP s hier ein«, sagt er.
Sheriff Albin lässt ein paar Sekunden verstreichen und sagt dann: »Okay.«
»Egal, was Debbie hier will, wenn Sie sie auf der Stelle wegschaffen können, lasse ich alle Anschuldigungen fallen.«
»Kannst du mir das nicht ins Gesicht sagen, du Kindermörder?«, fragt Debbie.
»Debbie, wenn das hier vorbei ist, rede ich gern mit dir über dieses oder auch jedes andere Thema. Bloß nicht jetzt.«
»Wozu die Eile?«, fragt Albin.
»Wegen dieser ganzen Geheimhaltungssache. Der Hubschrauber landet nur, wenn hier unten jeder eine Vertraulichkeitsvereinbarung unterschrieben hat.«
Der niedrig fliegende Hubschrauber kommt mit ohrenbetäubendem Lärm am anderen Ende des Sees in Sicht. Er ist riesig – ein Sikorsky Sea King oder so was Ähnliches. Einer mit Bullaugen, wie ihn der Präsident benutzt.
»Warum? Wer ist das?«, will Sheriff Albin wissen.
Reggie windet sich. »Könnten Sie eine Vertraulichkeitsvereinbarung unterschreiben?«
»Reggie, ich bin Polizeibeamter.«
Es ist nicht schön anzusehen, wie Reggie die schlimme Hand an die intakte Seite seines Mundes führt, um an den Fingernägeln zu kauen. »Sheriff, das ist wirklich wichtig. Meines Wissens verstoße ich gegen kein Gesetz.«
Albin beobachtet, wie der Hubschrauber den See umrundet. »Sind Sie morgen hier?«, fragt er schließlich. »Sagen wir um halb zwei?«
»Ja, Sir.«
»Und Sie sind dann noch nicht aufgebrochen?«
»Nein, Sir.«
»Ich bringe Debbie jetzt nach Hause, und Sie sind wirklich morgen da?«
»Ja, Sir.«
»Ich gehe nirgends hin«, sagt Debbie. »Ziviler Ungehorsam.«
»Ziviler Ungehorsam hin oder her, wir jagen dich zum Teufel«, sagt Miguel, der rübergekommen ist, um zu helfen.
»Entspannt euch«, sagt Albin so langsam, dass es tatsächlich passiert.
Zu Reggie sagt er: »Um drei Uhr muss ich in Soudan sein. Also muss ich hier um halb drei fertig sein. Und mit ›fertig‹ meine ich, dass wir beide uns hingesetzt und Sie mir alles erzählt haben, was Sie für diese Sache geplant haben. Und mich davon überzeugen konnten, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauche.«
»Ja, Sir.«
»Wie ich das sehe, tue ich Ihnen damit einen großen Gefallen. Sehen Sie das auch so?«
»Ja, Sir.«
»Also gut.« Albin öffnet die Beifahrertür seines Streifenwagens.
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