Einmal durch die Hölle und zurück
Verbindung er zu Palin steht – wo haben sie sich kennengelernt, bei einem Westbrook Pegler-Kongress? Doch jemand, der in Vegas lebt und so intelligent ist, wie dieser Mann sein muss, sollte besser nicht auf mich aufmerksam werden.
Violet sitzt drüben am Erwachsenentisch, neben Grody. Ich bin nicht eifersüchtig. Das wäre so, als würde sich ein Dobermann mit einem Chihuahua einlassen. Aber es ist ärgerlich, dass er mit ihr reden kann.
Als sie mit Teng nach dem Abendessen überlegt, ob sie wieder ins Kasino fahren sollen, und sich alle von dem Gedanken anstecken lassen, ziehe ich kurz in Erwägung mitzufahren, um etwas Zeit mit ihr zu verbringen. Entscheide mich aber hierzubleiben. Ich brauche keinen dieser Leute besser kennenzulernen. Auch Violet nicht.
Stattdessen gehe ich wieder ins Büro der Empfangshütte, wo ich mich beim Durchsehen meiner E-Mails bemühe, das Foto der Familie Semmel nicht anzusehen. Rec Bill hat schon auf die Nachricht geantwortet, in der ich ihm vor dem Abendessen mitgeteilt habe, dass Palin der Schiedsrichter ist. Da ich weiß, dass er mich darin auffordert zurückzukommen, habe ich es nicht eilig, sie zu öffnen.
Erst lese ich die Mail von Robby, dem australischen Typen, der mich auf dem Schiff vertritt. Sie lautet:
»nur am kotzen«
. Er hat nicht mal Großbuchstaben benutzt.
Ich bitte ihn um nähere Einzelheiten und wünsche ihm eine schnelle Genesung, falls er derjenige ist, der kotzen muss. Dann öffne ich die Nachricht von Rec Bill.
»Ich bin mit Palin als Schiedsrichter einverstanden. Machen Sie weiter wie geplant.«
Das kann doch nicht wahr sein.
Ich freue mich über die zusätzliche Zeit mit Violet, besonders wenn sie wieder mit mir spricht, aber ich bin erstaunt. Egal, wie reich man ist, zwei Millionen Dollar zu verschleudern, ist abstoßend. Im Vergoldeten Zeitalter wurde mit dem Zaster wenigstens irgendwas vergoldet.
Doch in zwei anderen Punkten war Rec Bill erfolgreich. Die Desert Eagle Investigations in Phoenix, Arizona, scheint es tatsächlich zu geben, und dort arbeitet auch ein Typ namens Michael Bennett – eigentlich gehört ihm die Detektei sogar –, auf den die Beschreibung des Mannes passt, der hier war. Und Christine Semmel, Autumns Mutter, wohnt anscheinend in San Diego und hat einen Telefonanschluss.
Obwohl ich mich immer noch frage, warum Rec Bill so viel Wert darauf legt, dass das White Lake Monster existiert, rufe ich sie an.
»Ja?«,
sagt sie, ihre Stimme nicht mehr als ein Flüstern.
»Mrs Semmel?«
»Ja?«
»Mein Name ist Lionel Azimuth. Ich bin Arzt und unterstütze sozusagen die Ermittlungen zu einem etwaigen Verbrechen hier in Minnesota.«
Nichts.
»Das Ganze ist eine lange Geschichte, aber ich kann Ihnen gern die näheren Einzelheiten erzählen.«
»Reggie, bist du das?«,
fragt sie.
»Nein.«
»Sie rufen aus der Lodge an.«
»Ja. Ich übernachte hier. Aber wie gesagt …«
»Hat er noch jemanden umgebracht?«
Also gut.
»Noch jemanden?«
»Er hat meinen Mann und meine Tochter umgebracht«,
erwidert sie nach einer kurzen Pause.
Ich warte vergeblich darauf, dass sie noch was sagt.
»Wieso glauben Sie das?«
»Ich weiß es.«
»Darf ich fragen, woher?«
Wieder eine Pause.
»Reggie wollte vortäuschen, dass es im White Lake ein Ungeheuer gibt. Er hat meine Tochter umgebracht, damit es wirklich so aussieht. Und dann hat er meinen Mann umgebracht, um die Lodge zu übernehmen.«
»Der Schwindel war Reggies Idee?«
»Natürlich. Chris hätte sich so was nie ausgedacht. So war er nicht. So … verschlagen. Pfarrer Podominick auch nicht. Reggie hat die beiden heimlich dazu angestiftet, damit niemand misstrauisch wird, wenn er das Ganze übernimmt. Hat sie so durcheinandergebracht, dass Chris glaubte, er und Reggie würden das Ungeheuer einfangen und verkaufen.«
Christine Semmel beginnt leise zu weinen. Tolle Leistung, Dr. Azimuth.
»Mrs Semmel, wenn Sie wollen, können wir das Gespräch auch beenden.«
»Nein, ist schon gut.«
Das klingt aufrichtig. »Und können Sie mir sagen, wie die beiden das Ungeheuer einfangen und verkaufen wollten?«
»Kurz nach Chris’ Tod wurden diese ganzen Haken und Netze und alles, was er bestellt hatte, in die Lodge geliefert
.«
»Davon hat mir Reggie erzählt.«
»Und dann habe ich eine Liste mit Telefonnummern in Chris’ Handschrift gefunden. Ich habe überall angerufen. Die Leute, die mit mir gesprochen haben, sagten, sie würden mit seltenen Tieren handeln. Sie behaupteten, sie
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