Einmal Paradies und zurück
Vielleicht werde ich in so eine Art Ausbildungslager für Engel gesteckt. Wo man Unterricht bekommt in – ich weiß auch nicht – vielleicht im Fliegen und allgemeiner Wundertechnik.
»Also, Sie wissen doch, dass Sie sich jederzeit an mich wenden können, wenn es schwierig wird, ja?«, vergewissert sich Regina und mustert mich über ihre rosa Brille hinweg. Ihr rundes Marshmallow-Gesicht sieht ein bisschen besorgt aus. »Keiner wird Ihnen deswegen Vorwürfe machen. Ein Engel-Praktikum ist nicht jedermanns Sache.«
Unwahrscheinlich, dass ausgerechnet ich die Segel streiche, denke ich etwas arrogant. Auf der Erde war ich ein totaler Versager, aber bei Gott, jetzt werde ich endlich mal Erfolge einheimsen. Ich werde meine ganze Energie in diese Aufgabe stecken, mich richtig ins Zeug legen und alle beeindrucken, auch mich selbst. Ich werde mich von ganzem Herzen der Verbreitung von Freude und Glück verschreiben, ein bisschen wie eine himmlische Version von
Amélie
.
Ich werde meine Zeit hier damit verbringen, auf der Erde Gutes zu tun. Wahrscheinlich werden die Menschen da unten Kerzen für mich anzünden, und wer auch immer dieser hoffnungslose Fall sein mag – ich werde einen ehrlichen, aufrechten Menschen aus ihm oder ihr machen, der freundlich ist zu streunenden Hunden/an Wochenenden Essen auf Rädern ausliefert/ehrenamtlich in Suppenküchen arbeitet/regelmäßig für wohltätige Zwecke spendet.
»Erinnern Sie sich nur immer an die goldene Regel, meine Liebe. Wir dürfen den freien Willen unserer Schützlinge nicht beschneiden. Niemals. Halten Sie sich das stets vor Augen, dann werden Sie wunderbar zurechtkommen. Ja … hier habe ich den Namen Ihres Schützlings. Wissen Sie, wir weisen den Praktikanten fast immer einen Schützling zu, den sie schon auf der Erde gekannt haben. Das macht alles wesentlich einfacher.«
Das ist ja toll! Ich überlege … Ist es Mum? Kate? Fiona? Jemand, den ich nicht so gut kenne, aber dessen Leben ich jetzt zum Besseren wenden werde?
»Gut. Wie ich sehe, kennen Sie diese Person sehr gut, das ist bestimmt hilfreich für Sie. Es handelt sich um einen MrJames Kane.«
NEEEEEEEEEEIN !
Kapitel 4
James
Ich möchte dem Tod gegenüber nicht respektlos erscheinen – aber ich war noch nie in meinem Leben so schockiert. Und schlimmer noch: Ich kann nicht mal wie ein normaler Mensch die üblichen Gegenmaßnahmen ergreifen, nämlich in den nächstbesten Pub gehen, einen doppelten Vodkatini bestellen und mit locker abgeknicktem Handgelenk runterkippen. Denn ehe ich eine Chance hatte, a) loszustammeln oder b) mich aus dem nächstbesten Fenster zu stürzen (klar, was soll’s, ich bin eh tot) … bin ich auf einmal wieder zu Hause. Mein lieber Schwan, bei den Engeln gibt es keine Trödelei, alles geht ruck, zuck.
Sorry, ich meine natürlich, ich bin wieder bei James. In unserem Schlafzimmer, das jetzt
sein
Schlafzimmer ist. Mir fällt es immer noch ein bisschen schwer zu akzeptieren, dass es nicht mehr mein, das heißt
unser
Zuhause ist, denn ich habe in den fünf Jahren, die ich hier gewohnt habe, viel Mühe und Herzblut in dieses Projekt investiert. Und viel wertvolle Lebenszeit damit verbracht, zu renovieren/tapezieren/mir Dulux-Himalajablau von den Klamotten zu schrubben/auf den Klempner zu warten, der seinen Terminplan nach dem Pokal-Finale gestaltete/den Zehn-Tonnen-Container am Gartentor zu bewachen, damit ihn nicht irgendwelche Kids in Brand setzten. Also möge man mir verzeihen, wenn ich mich anhöre wie ein Platzhirsch.
Ich weiß, ich weiß, theoretisch ist es James’ Haus; er hat es gekauft, lange bevor wir uns kennengelernt haben, bis unters Dach mit Hypotheken belastet. Aber ich war die Projektmanagerin, weil er mich darum gebeten hat, als wir noch beide beseelt waren von der romantischen Vorstellung, das baufällige Gemäuer in ein wunderschönes historisches Domizil zu verwandeln, Innenstadtnähe, Meernähe und so weiter und so fort. Das ist Phase eins der Zähmung von James Kane, redete ich mir ein. Okay, sein einziger konstruktiver Beitrag war der Fernseher von Bang & Olufsen, den Rest hat er mir überlassen. Was mich überglücklich machte. Ich meine, jeder weiß, dass beim Kauf eines Hauses die Zeit, die man in Clubs verbringt, im gleichen Maß abnimmt, wie die Aufenthalte in Baumärkten zunehmen. Voller Freude malte ich mir aus, dass wir bald einem Reklamepärchen im Heimwerkerkatalog ähneln würden.
»Wir werden hier so glücklich sein«, sagte James immer.
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