Einmal Paradies und zurück
dringend Unterstützung …« Dann schenkt uns die freundliche Dame ein breites professionelles Grinsen – »keine Sorge, alles unter Kontrolle«.
»O ja, ich habe alle Akten hier vor mir liegen, sein Schützling macht gerade eine sehr schwierige Scheidung durch, das hat die ganze Sache überhaupt erst ins Rollen gebracht … nein, nur zu. Ich bleibe dran«, sagt sie mit lauter Stimme und flüstert uns dann zu: »Das ist so traurig. Ein wundervoller Mann. Seine Frau hat einen Halbtagsjob in einem Gartencenter angenommen und ist mit einem Typen durchgebrannt, den sie dort kennengelernt hat. Mit dem Kerl, der für die ganzen Wassersachen zuständig war. Sie hat bei den Aquarien gearbeitet, und eines Tages haben sich ihre Blicke getroffen – über die künstlichen Felsen und die Seerosen hinweg. Wie eine Episode aus einer dieser Sonntags-Sitcoms, oder nicht? Aber was soll man machen? Das kommt eben davon, dass man den Menschen einen freien Willen gegeben hat. Ich bin nicht schuld, ich hab nicht dafür gestimmt. Jedenfalls hat der arme verlassene Ehemann keine Ahnung, dass sein Leben demnächst eine Wendung zum Besseren nimmt, und zwar auf einem Niveau, wie er es sich nie hätte träumen lassen … hallo? Ja, Gabriel, ich bin noch da … ja, das ist wunderbar. Fein, hoffen wir, das wirkt. Ich ruf dann später noch mal an und bringe dich auf den neuesten Stand. Verstanden. Ende der Durchsage.«
Verstanden? Ende der Durchsage? Was soll das denn jetzt? Bin ich hier auf dem Set einer neuen Krimiserie? Aber da streckt die freundliche Dame auch schon die Hand aus, um sich vorzustellen.
»Regina Angelorum lautet mein vollständiger Titel, aber alle nennen mich Regina«, sagt sie lächelnd und nimmt die rosa Brille ab, wodurch sie gleich etwas weniger marshmallowmäßig wirkt.
»Freut mich, Sie kennenzulernen. Ich bin Charlotte Grey …«
»O ja, das wissen wir, meine Liebe. Ich habe hier sogar irgendwo ein vollständiges Dossier über Sie«, sagt sie und macht eine vage Handbewegung zu dem Aktenstapel, der vor ihr auf dem Tisch liegt. »Sekunde, ich schau mal nach. Wo hab ich es hingelegt? Ach ja, hier haben wir’s. Bitte seien Sie so nett, das für mich auszufüllen, ja?«, fährt sie fort, während sie mir einen Kuli und ein sehr offiziell wirkendes Formular überreicht.
»Autounfall, richtig, Liebes?«, fragt sie mitfühlend, und ich nicke. »Kümmern Sie sich nicht um Seite eins, da haben wir schon alle notwendigen Informationen. Füllen Sie einfach Seite drei aus, das wäre toll. Oh, wenn Sie wüssten, wie viele Unfälle ich schon gesehen habe, und es wird jedes Jahr schlimmer. Ich sag es immer wieder …«
Während ich mich durch den Papierkram zu Seite drei vorarbeite, plappert Regina unermüdlich weiter mit Dad, über Geschwindigkeitsbegrenzungen, wie nutzlos die Punktekartei ist und dass die Gesetze gegen Alkohol am Steuer einfach nichts bringen. Herrgott nochmal, das ist ja, als würde ich einen Reisepass beantragen. Betitelt ist das Formular mit
EP
, und als ich es mir näher anschaue, erkenne ich auch, wofür das steht.
Engel-Praktikum.
Okay, jetzt hab ich das Gefühl, dass ich in einem Harry-Potter-Film gelandet bin. Gleich flitzen wahrscheinlich noch Eulen und quiddichspielende Kids am Fenster vorbei.
»Entschuldigung, äh … Regina?«, unterbreche ich die rosa Dame mitten in ihrem Redeschwall. »Bilde ich mir das nur ein, oder steht hier wirklich Engel-Praktikum? Also … im Ernst?«
»Jaaaa, Liebes.« Sie lächelt und sieht mich an, als wollte sie sagen: ›Was zum Teufel haben Sie denn erwartet?‹
»Dann werde ich also … irgendwie … so eine Art Engel?«
»Füllen Sie einfach Frage drei, Abschnitt zwei aus, meine Liebe, dann sehen wir weiter.«
Mit halb vor Aufregung und halb vor Ungläubigkeit zitternden Händen schlage ich die entsprechende Seite auf. Nein, es ist ganz eindeutig keine Einbildung. Da steht es, fettgedruckt.
Frage 3 : Nehmen Sie sich bitte ausreichend Zeit und beschreiben Sie in Ihren eigenen Worten, warum Sie am EP -Programm teilnehmen möchten. Unabgeschlossene weltliche Angelegenheiten sollten unten kurz umrissen werden.
O mein Gott, ist das abgefahren! Wenn ich nicht tatsächlich hier sitzen würde, könnte ich es gar nicht glauben. Ich soll also tatsächlich ein Engel werden. Ich, die so einen allmächtigen Schlamassel aus meinem Leben gemacht hat. Schaut mich an! Auf einmal muss ich an Mum, Kate und Fiona denken. Was sie jetzt durchmachen. Aber dann
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