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Einmal Paradies und zurück

Einmal Paradies und zurück

Titel: Einmal Paradies und zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Carroll
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fällt mir ein, dass ich von hier aus bestimmt viel mehr für sie tun kann. Ich meine, ich kann doch bestimmt hie und da bei ihnen reinschauen und alle möglichen Wunder für sie in die Wege leiten. Schließlich weiß jeder, dass Engel überirdische Kräfte haben. Oder wie ich das nennen soll.
    Oh, da hab ich doch gleich eine Idee. Ich wette, ich könnte dafür sorgen, dass Kate schwanger wird. Und dass Fiona hinter ihrem Computer vorkommt und Kontakt mit dreidimensionalen Menschen aufnimmt. Auf diese Weise findet sie vielleicht endlich einen tollen Mann, der sie so behandelt, wie sie es verdient. Ich könnte ihr helfen, ihr Leben auf die Reihe zu bringen – was ich selbst nie geschafft habe. Mum könnte mit meiner Unterstützung vielleicht ein paar Punkte ihrer Liste abarbeiten – obwohl ich ehrlich gesagt keine Ahnung habe, wie ich eine Begegnung mit George Clooney arrangieren soll. Für die Schauspieler in der Agentur könnte ich sicher auch alles Mögliche ins Rollen bringen. Mit Ausnahme von Miss Helium-Stimme natürlich. Ich werde ein wahrer Musterengel sein.
    Ich werde mich ganz neu erfinden, wie Madonna. Oder Carla Bruni.
    Zum ersten Mal seit ewigen Zeiten grinse ich vergnügt vor mich hin, greife nach dem Kuli, und als ich erst mal mit Schreiben angefangen habe, komme ich richtig in Fahrt und kann gar nicht mehr aufhören. Unter der Rubrik »Gründe, warum Sie am EP -Programm teilnehmen möchten« schreibe ich zwei volle Seiten: dass ich mich, obwohl mein eigenes Leben nicht so gewesen ist, wie ich es mir vorgestellt hatte, nun ganz der Aufgabe widmen möchte, meinen Mitmenschen zu helfen. Wahrscheinlich klinge ich noch überschwänglicher als eine Teilnehmerin bei der Wahl zur Miss Universum und kann mich gerade noch zurückhalten, zu schreiben, ich hätte »den tiefen, leidenschaftlichen Drang, mich für den Weltfrieden einzusetzen«.
    Aber anscheinend mache ich es nicht ganz falsch, denn als Regina meine Antworten durchliest, lächelt sie, zwinkert Dad zu und sagt mir, dass ich anfangen kann.
    Nämlich damit, dass ich mich in ein Klassenzimmer begebe. Als wäre die ganze Situation nicht schon bizarr genug. Der Raum ist altmodisch – mit Holzfußboden und einer echten Schiefertafel – und riecht durchdringend nach Kreide. Erinnert mich irgendwie an den Abendkurs »Drehbuchschreiben für Anfänger«, an dem Fiona und ich mal teilgenommen haben. Ich war begeistert, weil ich dachte, es würde mir bei der Arbeit helfen, und Fiona meinte, sie könnte vielleicht ein paar Männer kennenlernen. Aber wir erlebten beide eine Enttäuschung: Der Kurs war absoluter Humbug, und der einzige Mann im ganzen Kurs war schwul. Aber ich schweife ab.
    Außer mir sind noch zwei Leute im Kurs: Ein älterer Mann mit einem Kinnbart und einer Jacke, die aussieht wie ein viktorianischer Gehrock, und eine Frau mittleren Alters, attraktiv, blass, hohlwangig, mit Wasserwelle und knallrotem Nagellack.
    »Sie sind Miss Charlotte, richtig?«, begrüßt mich der Kinnbart-Mann höflich, ohne auch nur verwundert die Augenbraue deswegen hochzuziehen, dass ich plötzlich da bin … keine Ahnung, ob man mich gebeamt hat oder wie ich sonst hier gelandet bin. Wo immer das nun sein mag. Im Traum ist es manchmal auch so – wie man von A nach B gekommen ist, weiß man meistens nicht mehr, nur dass man da ist.
    »Äh … ja, es ist nur … äh … ich möchte nicht unhöflich sein, aber äh … vermutlich wissen Sie auch nicht so genau, was hier vorgeht, oder?«
    »Autounfall, richtig?«, sagt die Frau mit der Wasserwelle ein kleines bisschen neugierig.
    »Äh … japp … aber …«
    »Japp«, wiederholt der Kinnbärtige nachdenklich.
    »Nun, ich hoffe, der Unfall war nicht zu schmerzhaft, meine Liebe?«
    »Äh … nein, eigentlich habe ich überhaupt nichts gespürt, es ging alles so schnell. Ich denke, der Schock hat mich betäubt. Es gab ein Gewitter, und ich war, na ja, ich war … ziemlich aufgeregt wegen … wegen dieser Sache. Ich wollte gerade das Auto vor mir überholen und hab den Laster nicht gesehen, der mir auf der Gegenspur entgegenkam. Erst als es zu spät war. Und dann lag ich plötzlich im Krankenhaus …«
    Schon komisch, was für groteske Kleinigkeiten mir von dem Unfall im Gedächtnis geblieben sind. Ich weiß noch, dass ich zugesehen habe, wie es die Kühlerhaube meines armen kleinen Autos zusammenfaltete wie ein Akkordeon, als der Laster frontal mit mir kollidierte. Dass mein Kopf mit voller Wucht gegen die

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