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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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müssen?“ Er: „Mindestens ein Jahr, wahrscheinlich länger.“ Ich nahm Tasche und Handschuhe und verabschiedete mich. Als ich durchs Wartezimmer ging, konnte ich ihn pfeifen hören: „Ich weiß ein kleines Hotel.“
    Marys Mann wartete in seiner Praxis auf mich. Mit zittriger Stimme und mit Tränen in den Augen erzählte ich ihm von der Diagnose, dem Sanatorium und den fünfunddreißig bis fünfzig Dollar pro Woche. Er sagte: „Der Fichtenhain, eines der besten Sanatorien auf der Welt, ist eine von Stiftungen unterhaltene Anstalt und kostenlos für jeden, der Pflege braucht und nicht bezahlen kann. Über 200 Personen stehen da auf der Warteliste, aber Mütter mit kleinen Kindern werden gewöhnlich sofort aufgenommen. Ich werde dem Chefarzt einen Brief schreiben.“ Er nahm ein Blatt Papier und fing an zu schreiben. Seine Schrift war krakelig und völlig unleserlich, aber er schien sehr zufrieden, und der Brief ging ja ohnehin an einen anderen Arzt. Er faltete ihn zusammen und händigte ihn mir aus. „Sei morgen früh um halb neun in der Klinik,“ sagte er. „Hier ist die Adresse. Gib ihnen den Brief und sag dem Arzt, er möchte mich anrufen. Sowie Mary hier ist, fahre ich dich nach Hause.“ Auch er sah gut aus, aber was wichtiger war, er war interessiert und er war freundlich.
    Dann erschien Mary und erzählte mir in fünf Minuten so viele grobe Lügen über Tuberkulose – wer alles sie hatte, woher sie sie hatten und so weiter –, daß ich sofort aufgeheitert wurde. Sie meinte, praktisch habe jeder Dritte Tuberkulose, sie könne in keine Gesellschaft mehr gehen, ohne nicht wenigstens vier fortgeschrittene Fälle zu treffen, und es sei jetzt tatsächlich schon so weit, daß es ihr peinlich sei, zuzugeben, sie habe keine Tb, denn jeder, der was darstellte – denk doch nur an Robert Louis Stevenson und Chopin! – hätte Tb gehabt. Ob Tb oder nicht, sie jedenfalls wünsche sich, daß ihr jemand völlige Bettruhe verordnete – denn sie hätte so lange keinen Schlaf mehr gekriegt, daß die Muskeln ihrer Augenlider schon verkümmert wären. Sie meinte, jede Schwangerschaft müsse mit einem leichten Fall von Tb ausklingen, damit die arme Mutter etwas Schlaf bekäme. Sie dachte verschiedenes und dachte es laut, was beruhigend wirkte und mir das Reden ersparte. So hustete ich den ganzen Heimweg nicht.
    Statt dessen zerbrach ich mir den Kopf, wie ich es der Familie und ob ich es den Kindern erzählen sollte. Ich spielte in Gedanken mit dramatischen kleinen Szenen, in denen ich ruhig ins Haus ging, als sei nichts geschehen, häufig und tapfer lächelte und Mary es ihnen dann sagte. Ich malte mir aus, daß ich es nur Mutter erzählen und sie, wenn ich häufig und tapfer lächelnd nach oben gegangen war, alle anderen zusammenholen, am besten zu ihren Füßen versammeln und ihnen von meinem „Mißgeschick“ erzählen würde.
    Ich hätte mir diese Mühe nicht zu machen brauchen. Als wir vorm Haus hielten, kam die ganze Familie, einschließlich der Kinder und Hunde, herausgestürzt. Sie wußten bereits Bescheid. Mary hatte sie angerufen, während ich bei dem Lungenspezialisten war. Ich mußte mich sofort ins Bett legen, in Mutters Bett, dem mit den vier Pfosten, in dem wir alle geboren worden waren und alle unsere Krankheiten gehabt hatten.
    Im Kamin brannte ein Feuer. Es gab frischen, heißen Kaffee. Unbegrenzte Liebe und überquellende Anteilnahme umgaben mich. Vielleicht allzuviel Anteilnahme, denn nach einer Weile war ich fast überwältigt von meinem eigenen Schneid, meiner Selbstlosigkeit und der Herrschaft meines Geistes über das Fleisch. Sich vorzustellen, daß ich das ganze letzte Jahr mein Leben gelebt, gearbeitet, gespielt und gelacht hatte, wo ich doch immerzu schwer, vielleicht tödlich krank gewesen war! Ich schwelgte in Selbstmitleid. Anstatt mir zu sagen, daß es eine große Beruhigung sei, zu wissen, was mir fehlte und daß ich tatsächlich krank war, nicht aber gleichgültig und träge, vergoß ich Tränen auf Mutters blaue Daunendecke, während ich mir in schmerzlichen Bildern ausmalte, wie Anne und Joan Blumen auf „Mommis“ frisches Grab legten. Ich war ein großer Wehleider, ohne jeden Sinn für Humor. Ich hustete die ganze Nacht und fand das sehr schön.

DRITTES KAPITEL
    „Leb wohl, leb wohl, vertrautes Land!“

Die Peitsche knallt, jetzt geht`s davon
Und Baum und Strauch entschwinden schon.
Jetzt biegt es um den Waldesrand.
Leb wohl, leb wohl, vertrautes Land!

    Robert Louis

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