Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einsame Klasse.

Einsame Klasse.

Titel: Einsame Klasse. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler , Robert B. Parker
Vom Netzwerk:
ich. «Ich tue, was ich kann.»
    Victor nickte zu oft und zu heftig. Er stand auf und steckte meine Zigaretten in seine Hemdtasche und den Hunderter einmal gefaltet in die Hosentasche.
    «Lassen Sie die Flasche hier», sagte ich.
    Er lächelte ein automatisches Lächeln und rieb sich das Kinn mit der Handfläche.
    «Ich höre von Ihnen?»
    Ich nickte. Er wandte sich der Tür zu.
    «Ich habe Angel von Muriel erzählt», sagte ich.
    Er blieb mit dem Rücken zu mir gewandt stehen.
    «Was hat sie gesagt?» fragte er, ohne sich zu mir umzudrehen.
    «Sie hat mir nicht geglaubt.»
    Noch immer mit dem Rücken zu mir fragte er: «Erzählen Sie’s Muriel?»
    «Nein.»
    Er nickte und ging ohne sich umzusehen zur Tür, öffnete sie und verschwand.

36
    Ich rief Eddie Garcia unter der Nummer an, die Blackstone mir gegeben hatte, und er erklärte sich einverstanden, mich am Pier von Bay City zu treffen. Er war schon da, als ich ankam, stand am entfernten Ende gegen ein Geländer gelehnt und beobachtete die Möwen, die auf der Suche nach Fischen in die Wellen hinunterstießen und auf der Suche nach Abfall über den Pier kreisten.
    Die Wolken hatten sich jetzt aus dem Talkessel verzogen, und der Ozean wirkte grau und geschmeidig, mit träge unter dem bewölkten Himmel hindurchziehenden Wögen. Mit den Gewitterwolken war ein Wind aufgekommen, der gegen die Wogenspitzen anpeitschte und etwas Gischt von ihnen abriss. Garcia trug zum Schutz gegen den Wind einen leichten Trenchcoat, mit hochgeschlagenem Kragen.
    Als ich Garcia erreichte, rollte er sich mit seinem Rücken gegen das Geländer, stützte sich mit den Ellbogen darauf ab und sah mich an.
    «Sie haben mich an einem schönen Tag rausgeholt, Seemann», sagte er.
    «Sie haben den Pier ausgesucht», erwiderte ich.
    «Ein guter Ort, um in Ruhe zu reden.»
    Ich nickte. «Eine Menge freies Feld, damit man nicht in einen Hinterhalt gerät.»
    Bei Tageslicht, aus der Nähe, konnte ich die Krähenfüße um Garcias Augen herum erkennen, die Tiefe der Falten um seinen Mund. Er sah nicht müde aus, nur älter, als ich angenommen hatte.
    «Also, was gibt’s, Seemann?»
    «Erzählen Sie mir was über Muriel Blackstone.»
    Hinter Garcias Augen schien sich etwas zu bewegen. Sein Gesicht blieb reglos.
    «Warum?» fragte er.
    «Ich sitze in der Klemme, Eddie. Ich gehe davon aus, dass ich Victor wahrscheinlich finden kann, und wenn ich das tue, kann ich auch dafür sorgen, dass er nach Hause zu Muriel zurückkehrt, aber ich bin nicht sicher, ob das für alle Beteiligten das Beste ist.»
    «Warum nicht?»
    «Er ist kein so besonders toller Bursche.»
    Garcia bellte sein kurzes Lachen.
    «Das wissen wir alle.»
    «Es betrifft noch andere Leute.»
    «Ich arbeite für Blackstone», sagte Garcia. «Genau wie Sie.»
    «Das heißt noch lange nicht, dass ich ihm gehöre», erwiderte ich. Es war nur so dahingeredet, war nicht mehr als Zeit schinden, der Versuch, mir darüber klarzuwerden, was ich eigentlich bezweckte.
    «Und es heißt auch nicht, dass ich ihm gehöre», sagte Garcia. «Na und?»
    «Weiß Blackstone, dass sie nicht ganz astrein ist?»
    Eddies lässiges Lehnen an dem Geländer wurde etwas angespannter. Seine Augen wurden schmal.
    «Nicht ganz astrein?»
    Ich trug wie er einen Trenchcoat; jeder gutgekleidete Draufgänger hatte einen. Ich griff in die Tasche und holte eines meiner Bilder von Muriel heraus. Ich fühlte mich wie jemand, der andere Leuten am Ärmel zupfte, um ihnen pornographische Postkarten zu verkaufen. Garcia nahm das Bild und betrachtete es ausdruckslos. Als er es mir zurückgab, klatschte ein Regentropfen auf das Foto -
    ein einziger Regentropfen, ein dicker, so groß wie ein Nickel. Auf dem Pier um mich herum hörte ich andere, vereinzelte Tropfen wie diesen zerspritzen. Ich rieb das Bild an meiner Brust trocken und ließ es wieder in meine Manteltasche gleiten.
    Garcia sah mich mit einem dünnen Lächeln an. «Wenn Mr. Blackstone jetzt hier wäre, wären Sie tot.»
    «Er würde mich töten?»
    «Er würde mich Sie töten lassen.»
    «Ja-ah», sagte ich. «Ich höre meine Zähne schon klappern.»
    «Woher haben Sie das Foto?»
    «Spielt keine Rolle», antwortete ich. Der Regen wurde stärker, die nickelgroßen Tropfen rückten dichter und dichter zusammen. «Weiß Blackstone über sie Bescheid?»
    Garcia schwieg nachdenklich. Ich stand da und wartete, während er nachdachte.
    Schließlich sagte er: «Ja. Er weiß es. Mit der Kleinen lief es schon schief, als sie noch jung

Weitere Kostenlose Bücher