Einsatzort Vergangenheit (German Edition)
können.
„Ach,
Frau Simon, wie schön, dass Sie sich auch schon bequemen uns mit Ihrer
Anwesenheit zu beehren“, unterbrach er seine übliche Rede, die er zu jedem
Schuljahresbeginn an das Kollegium hielt.
„Tut
mir leid, ich wäre ja pünktlich gewesen, wenn ich mir nicht einen Parkplatz
hätte suchen müssen“, erwiderte ich und sah dabei gleichzeitig zu dem neuen
Kollegen hin. Der schien gar nicht zu merken, dass er der Schuldige war. Er
schaute mich nur flüchtig an und dann wieder zu Herrn Schuhmann.
„Ja,
ja, wie auch immer, setzen Sie sich hin, damit wir hier weitermachen können“,
versuchte Herr Schuhmann das Ganze abzuwiegeln.
Ich
beeilte mich dem Befehl, eine Bitte konnte man das wohl kaum nennen,
nachzukommen, nahm Platz, packte meine Sachen aus und schaute in die Runde der
Kollegen. Einige sahen mitfühlend, andere schadenfroh zu mir herüber, froh
darüber, dass nicht sie es waren, die sich den Unmut des Direktors zugezogen
hatten. Nun hatte ich die Gelegenheit mir den Parkplatzdieb mal genauer zu
betrachten und musste zweimal hinsehen, bevor ich bemerkte, dass das keine Fata
Morgana, sondern ein Mann aus Fleisch und Blut war. Das sollte der neue Lehrer
für Geschichte und Deutsch sein? Er war von Herrn Schuhmann vor den Ferien in
den höchsten Tönen angepriesen worden. Eine Koryphäe als Lehrer, ein absoluter
Profi sei er, und wie er mit den Schülern umging, da könnten sich die jungen
Hasen noch eine große Scheibe davon abschneiden. Dabei hatte er der
Referendarin, die neben ihm stand, einen bedeutsamen Seitenblick geschenkt, was
diese gleich dazu gebracht hatte rot anzulaufen. Und da saß nun ein Mann, der
gerade erst mal Anfang dreißig war. Herrn Schuhmanns Erklärungen nach, hatte
ich mit einem Kollegen gerechnet, der kurz vor der Pensionierung stand. Aber
dieser neue Lehrer war weit weg vom Rentenalter, sehr weit. Und er sah auch
noch unverschämt gut aus. Die braun gewellten Haare, die strahlend blauen Augen
und das leicht gebräunte Gesicht vermittelten eher das Bild eines Surfers auf
Hawaii statt das eines Lehrers an einem deutschen Kleinstadtgymnasium. Ein
Sonnyboy, der die Schülerinnen reihenweise in Verzückung geraten ließ, hatte
uns gerade noch gefehlt. Reichte es doch schon, wenn sie von Edward aus der
Twilight-Serie träumten, da brauchten sie nicht noch einen Lehrer, der aussah,
als gehörte er auf die große Leinwand statt ans Pult. Er musste wohl gemerkt
haben, dass ich ihn länger als nötig ansah, denn plötzlich richtete er seinen
Blick auf mich und zwinkerte mir unverhohlen zu. Einfach so! Unverschämter
Kerl! Ertappt errötete ich, schaute schnell zur Seite und tat so, als ließe ich
Herrn Schuhmanns Rede meine ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen lassen. Er
wollte uns Lehrer mit seiner Rede auf das neue Schuljahr einstimmen und uns auf
den Wegen geben, dass wir ein bedeutendes Werkzeug seien, wenn es um die
Formung und Bildung eines jungen Menschen ging. An sich war diese Einstellung
nicht verkehrt, aber musste die Rede jedes Jahr die gleiche sein? Seit drei
Jahren war ich an dieser Schule angestellt und kein einziges Mal hatten wir zu
Schulbeginn eine andere Rede gehört. Wort für Wort! Ich war wohl nicht die
Einzige, die die Rede zum Einschlafen fand, wie ich bei meinem Blick durchs
Kollegium feststellte. Hier und dort schauten einige verträumt zum Fenster
hinaus, vermutlich schwelgten sie noch in Ferienerinnerungen. Diejenigen, die
mit dem Rücken zum Fenster saßen, kritzelten beschäftigt in ihren Notizblöcken
herum. Nur der Neue schaute gebannt zu Herrn Schuhmann und nickte an einigen
Stellen wohlwollend. So war es mir vor drei Jahren auch noch gegangen, doch
schon im Jahr darauf hatte ich erkennen müssen, dass ich ein Déjà-vu hatte und
in diesem Jahr kam es mir schon so vor wie am Silvesterabend:
„The same
procedure as last year, Miss Sophie?“
Nachdem
der Vortrag endlich geendet hatte, wurden die neuen Stundenpläne ausgeteilt und
die Besprechung aufgehoben. Ich war gerade dabei zu einer Gruppe von Kollegen
zu gehen, die zusammenstand und sich gegenseitig von ihren Urlaubserlebnissen
erzählte, da kam Herr Schuhmann auf mich zu.
„Frau
Simon, ich möchte Sie noch unserem neuen Kollegen, Herr Berger, vorstellen. Sie
waren ja vorhin leider nicht anwesend“, und ging geradewegs auf besagten
Kollegen los. Ich konnte gar nicht anders und folgte ihm auf dem Fuße, auch
wenn ich mir in dem Moment wirklich Besseres vorstellen konnte. Wie
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