Einstein, Quantenspuk und die Weltformel (German Edition)
Massen oder Energien.
Hätte Einstein zu Zeiten Newtons gelebt, man hätte ihn für die Skalpierung der absoluten Weltanschauung dem Henker vermacht. Nie wäre man auf die Idee gekommen, dass jeder Mensch die Welt aus seinem eigenen Blickwinkel unterschiedlich sieht, und dabei erst noch mit den physikalischen Gesetzen dieser Welt einhergeht. Da ist es nur noch melancholische Ironie, dass der Relativitätstheorie die Absolutheit der Lichtgeschwindigkeit zugrunde liegt. Die Lichtgeschwindigkeit ist nämlich das vordergründlich einzige, was an der Relativitätstheorie absolut ist. Wäre die Lichtgeschwindigkeit nicht konstant und absolut, würden Phänomene wie die Zeitdilatation oder Längenkontraktion nicht existieren.
Es mag Sie vielleicht erstaunen, wie sehr sich die Natur von unserer Wahrnehmung unterscheidet. Unsere Alltagserfahrung ist aber nur eine Annäherung an die Realität. Eine Annäherung, die nur dann gilt, wenn wir dieselben Umstände voraussetzen, wie Sie in unserem Alltag gelten. Würden wir uns im Bereich der Lichtgeschwindigkeit fortbewegen, käme uns die Welt ziemlich fremdartig vor. Wir sind umgeben von Näherungen der Realität. Im Grossen sind es die Phänomene der Relativitätstheorie, die uns im Alltag verschlossen bleiben. Im Kleinen ergeht es uns nicht anders, wie wir bei den Kapiteln zum Quantenspuk erleben werden. Wir sehen einen Stuhl und keine Atome. Wir sehen einen Menschen, keine Zellen. Wir „sehen“ Licht, keine Welle. Und die Tischkante ist nur so lange eckig, bis wir uns weit genug ins Detail vorgearbeitet haben.
2.1.5 Das Garagen-Paradoxon
Nachdem Einstein die spezielle Relativitätstheorie veröffentlicht hatte, suchten Physiker auf der ganzen Welt nach widersprüchlichen Gedankenexperimenten, um sie zu widerlegen. Eines dieser scheinbaren Widersprüche ist das so genannte GaragenParadoxon 12 . Demnach passt Ihr Auto in die Hundehütte, wenn Sie nur schnell genug damit fahren. Dieser Umstand ist der Lorentzkontraktion geschuldet, einem Phänomen der speziellen Relativitätstheorie, wonach einem ruhenden Betrachter ein schnelles Fahrzeug verkürzt erscheint. Ab einer bestimmten Geschwindigkeit ist Ihr Auto dermassen kontrahiert, dass es zumindest längenmässig in eine Garage oder Behausung passt, die nach klassischen Massstäben viel zu klein dafür ist.
Das Problem dabei:
Wir haben zwei verschiedene Bezugssysteme. Einerseits den aussenstehenden Betrachter. Dieser sieht das Auto derart verkürzt, dass es auf einmal in die eigentlich zu kleine Garage passt. Andererseits haben wir das Auto und seine Insassen. Die erleben das Auto in seiner normalen Grösse und haben stattdessen das Gefühl, die Entfernungen (die Strasse oder auch die Garage) seien verkürzt. Aus der Perspektive des Betrachters passt das Auto demnach problemlos in die Garage. Aus Sicht der Insassen ist es aber erst recht zu klein, da sie die Grösse des Autos unverändert wahrnehmen, aber die Länge der Garage verkürzt sehen. Was geschieht nun, wenn das Auto in die Garage fährt? Passt es rein, womit der Betrachter in seiner Wahrnehmung bestätigt wird, oder passt es nicht rein, wodurch die Insassen in ihrer Wahrnehmung bestätigt werden?
12 Ein weiterer vermeintlicher Widerspruch ist das „Zwillingsparadoxon“, das im Kapitel „Zeitreisen“ aufgelöst wird.
Auf den ersten Blick ergibt sich hier ein Widerspruch, schliesslich kann das Auto nur in die Garage passen oder nicht, wodurch sich eine Wahrnehmung als bevorzugt herausstellen wird 13 . Damit wiederum wäre das Postulat des Relativitätsprinzips widerlegt, wonach jedes Bezugssystem gleichberechtigt ist – und mit dem Postulat die spezielle Relativitätstheorie.
Spielen wir die Szene durch, wenn das Auto in die zu kleine Garage fährt und schauen wir, was sich dabei ergibt. Stellen wir uns dazu eine durchgehende Garage mit zwei Toren vor. Eines vorne beim Eingang, eines hinten beim Ausgang. Der Beobachter beschliesst nun, die beiden Tore zu schliessen, sobald sich das Auto komplett in der Garage befindet. Damit will er beweisen, dass seine Perspektive richtig ist und das Auto tatsächlich in die Garage passt. Das Auto fährt mit schneller Geschwindigkeit durch das vordere Tor in die Garage hinein. Sobald das Heck des Autos das Eingangstor passiert hat, schliesst der Beobachter beide Tore und öffnet diese sofort wieder. Das Auto verlässt kurz darauf ohne den kleinsten Kratzer die Garage, wodurch bewiesen ist, dass es für kurze Zeit komplett
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