Einstein, Quantenspuk und die Weltformel (German Edition)

eingeschlossen war. Damit wäre die Perspektive des aussenstehenden Beobachters bewiesen. Ist er also im Recht und das Auto passt aufgrund der Längenkontraktion tatsächlich in die augenscheinlich viel zu kleine Garage?
    13 Das Paradoxon ist an dieser Stelle nicht unbedingt, dass das Auto nach klassischer Sicht (in „Ruhe“ betrachtet) nicht in die Garage passt, aus Sicht des Betrachters aufgrund der Längenkontraktion aber schon, sondern viel mehr, dass sich die beiden Wahrnehmungen zu widersprechen scheinen. Ein solcher Widerspruch würde wiederum einer Widerlegung der Relativitätstheorie gleich kommen – sollte er sich denn bestätigen und nicht als Missverständnis herausstellen.
    Damit wir ein Urteil fällen können, sehen wir uns an, was aus der Sicht der Insassen passiert, wenn das Auto in die Garage fährt. Zuerst schliesst sich das Ausgangstor und öffnet sich dann wieder, kurz bevor das Auto dort angelangt ist. Eine Kollision ist dadurch ausgeschlossen. Nun passiert der vordere Teil des Autos die Ausfahrt, der hintere Teil des Autos hat die Einfahrt hingegen noch gar nicht passiert. Das Auto ragt aus beiden Toren. Schliesslich passiert das Heck des Autos die Einfahrt. Das Eingangstor schliesst sich und öffnet sich kurz darauf wieder. Aus der Perspektive der Insassen befand sich das Auto folglich zu keiner Zeit vollständig in der Garage, aus der Perspektive des Betrachters hingegen schon. Aus beiden Perspektiven hat sich die Szene mit denselben Ereignissen (beispielsweise Tor auf, Tor zu) unterschiedlich zugetragen.
    Warum aber ist die Reihenfolge der Ereignisse im Fall der Insassen im Vergleich zum Betrachter offenbar durcheinander gebracht? Wieso geht für die Insassen das hintere Tor zu und wieder auf, bevor das Heck des Autos das Eingangstor überhaupt passiert hat, während dem der Betrachter das Auto vollständig in der Garage sieht?
    Das Problem ist, dass wir eine absolute Wahrnehmung der Gleichzeitigkeit voraussetzen, die es in der Natur so nicht gibt. Das Garagen-Paradoxon ist insofern kein Widerspruch, sondern darauf zurückzuführen, dass jeder Betrachter in einem anderen Bezugssystem die Gleichzeitigkeit mitunter anders wahrnimmt. Es gibt in der Realität aber keine absolute Gleichzeitigkeit. Zwei Ereignisse, die für Beobachter A gleichzeitig stattgefunden haben, finden für Beobachter B zeitlich verschoben statt. Die Konsequenzen der Ereignisse sind in allen Bezugssystemen dieselben. Falls das Garagentor bei der Übung zerstört wird, weil das Auto tatsächlich nicht in die Garage passt, wird es aus der Sicht aller Bezugssysteme zerstört. Ansonsten wäre das Garagentor ja gleichzeitig unbeschädigt und zerstört, womit ein Paradoxon geschaffen würde, wie wir es in der Quantenphysik bei der Schrödinger Katze antreffen werden. Das Timing der Ereignisse kann sich aber erheblich unterscheiden 14 und dadurch zu als paradox wahrgenommenen Situationen führen.
    Auf unser Garagen-Beispiel übertragen: Aus der Sicht des Betrachters schliessen und öffnen sich beide Tore gleichzeitig. Aus der Sicht der Autoinsassen aber öffnet und schliesst sich zuerst das Ausfahrtstor, dann passiert das Auto die Einfahrt vollständig und erst danach schliesst und öffnet sich das Einfahrtstor. In beiden Perspektiven bleiben Garage und Auto unbeschadet. Die Lösung für den scheinbaren Widerspruch besteht darin, dass in der Relativitätstheorie der Begriff der Gleichzeitigkeit ebenfalls relativ verstanden werden muss.
    14 Nicht aber die Reihenfolge von Ursache und Wirkung. Solange alle Informationen mit maximal Lichtgeschwindigkeit übertragen werden, ist die Kausalität von Ursache und Wirkung eines Ereignisses immer gegeben. Erst mit Überlichtgeschwindigkeit wäre es möglich, dass die Wirkung die Ursache überholt, sich das Tor beispielsweise öffnet, bevor es geschlossen worden ist.
2.1.6 Von Zombies, Schaffner und der Gleichzeitigkeit
    Die spezielle Relativitätstheorie zerstört nicht nur unsere Vorstellung eines absoluten Raums oder einer absoluten Zeit, sondern auch die der universellen Gleichzeitigkeit. Es gibt keine Gleichzeitigkeit, über die sich alle Beobachter einig werden. Wenn ein Zug in den Bahnhof einfährt, öffnen sich für den Schaffner, der in der Mitte eines Wagens steht, die vordere und hintere Türe gleichzeitig. Für den am Bahnsteig wartenden Passagier öffnen sich die weiter entfernten Türen aber verzögert, da das Licht von der weiter entfernten Türe einen längeren Weg