Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen
verläuft. Ein paar Kerle in Manchesterhosen, mit Gummistiefeln an den krummen Beinen - bei dieser Hitze Gummistiefel! - lassen ihre Motorsägen kreischen und pfeifen. Sie säubern Stämme vom Astwerk. Sie verständigen sich durch Zeichen, langsame Zeichen, wie alte Paviane sie geben. Der junge Zöllner steigt ab und bietet ihnen einen Gruß an, doch keiner der Paviane antwortet. Er schiebt das Fahrrad einen schmalen Pfad entlang, aus dem sich gedrungene Wurzeln heben. Hier kann niemand fahren. Der Pfad führt zur Grenze und an der unscheinbaren Grenze entlang, die nur durch einen mistigen Graben vorgestellt wird.
In einer Schonung schlägt ein Köter an: das ist Hasso. Er heißt nun mal so. Hasso läuft an langer Leine, die Bungert in der Hand hält, Bungert zwängt sich aus der Schonung und grinst und läßt den jungen Zöllner herankommen. Er hat sein Glas vor der Brust hängen. Er stiert auf seine Armbanduhr und fragt: War was unterwegs? Im Büro, sagt der junge Zöllner, ich kam nicht gleich weg. Das Fernglas, das Bungert offen vor der Brust hängen hat, könnte sein Glas sein. Er hat es nicht gekennzeichnet, aber an der Mittelschraube könnte er es wiedererkennen. Wir haben einen Wink von drüben bekommen, sagt Bungert. Sprit, fragt der junge Zöllner, und Bungert darauf: Transistorgeräte - vielleicht versuchen sie's in unserm Abschnitt. Drüben warten sie auch schon - durchs Glas kannst du sie erkennen. Hasso schnüffelt und schnuppert an dem jungen Zöllner herum, manchmal schnappt er sich jaulend ins Fell und beißt da Flöhe tot. Angenehm hört es sich nicht an, wenn der Köter seine gelben Hauer gegeneinander bewegt und sabbernd das Fell durchkämmt. Ich hab außerdem den Strand bis zur Mole, sagt der junge Zöllner. Gut, sagt Bungert, ich schieb jetzt ab. Er wischt sich mit dem Taschentuch über Stirn und Nacken, klopft seine Uniform ab und verkürzt die Leine. Er tippt grüßend an die Mütze und zerrt den Köter, der wie blödsinnig zu scharren anfängt, zum buckligen Pfad.
Der junge Zöllner lehnt das Fahrrad an einen Baum. Er öffnet das Etui und untersucht es, aber außer dem grauen, ledernen Putzlappen ist da nichts zu finden. Er steckt den Putzlappen in seine Rocktasche und beginnt, das Etui mit Sand zu füllen. Es ist warmer, lockerer Sand, den er neben dem Pfad zusammenkratzt. Er wiegt das Etui auf ausgestreckter Hand, schließt es und hängt es sich um. Er latscht die Grenze ab bis zum Hünengrab und spürt bei jedem Schritt das Gewicht des Etuis. An der Grenze ist nichts los heute, die Kollegen von drüben lassen sich nicht blicken. Der Himmel ist immer noch wolkenlos. Im Unterholz knistert die Hitze. Er steigt auf das Hünengrab hinauf und blickt über die Waldlichtung nach drüben. Er raucht eine Zigarette, knipst sie aus und steckt die lange Kippe in die Schachtel zurück. Eine Dampfsirene dröhnt gedämpft vom Fjord herauf. Über die Waldlichtung drüben schiebt ein Kerl eine Schubkarre. Der junge Zöllner klettert vom Hünengrab runter, schiebt das Fahrrad zum Hauptweg, sitzt auf und fährt zur Chaussee und dann weiter zum Hafen. Im kleinen Hafen hat die »Albatros« mit den Betriebsausflüglern festgemacht. Fast alle, die von Bord gehen, schwanken. Zwei Burschen schleifen eine besoffene Alte über den Laufsteg, alle drei haben blöde Papierhüte auf. Ein junges Mädchen steht spreizbeinig mit leicht eingeknickten Knien an der Reling und übergibt sich. Wie aus einer Röhre schießt das Erbrochene aus ihrem Mund und platscht in das stille, sonnüberglänzte Hafenbecken. Irgendwo auf dem altmodischen Dampfer wird immer noch gesungen. Ein Wurstmaxe empfiehlt den besoffenen Ausflüglern brüllend seine Würstchen.
An der Mole liegt eine feine Segelyacht. Der junge Zöllner tippelt da raus und bleibt über der Yacht stehen. Eine schwere Frau in Shorts, mit stark geäderten Schenkeln, liegt schlaff und tot auf geblümten Kissen. Sie ist barfuß. Sie hat zwei verwachsene Zehen. Neben ihr auf der Heckbank liegen Zigaretten, und da liegt in einem hellbraunen Etui ein Fernglas. Er lehnt das Fahrrad an einen Poller. Das Fahrrad fällt um, und die tote blonde Frau erwacht von dem Lärm und lächelt, ganz bedusselt von der Sonne. Sie können hier nicht über Nacht liegen bleiben, sagt er. Keine Sorge, sagt sie, wir gehn bald raus: mein Sohn holt nur Obst und Sonnenöl. Sie langt nach der Zigarettenpackung, öffnet sie, reicht sie ihm hinauf, doch er lehnt ab. Er hockt sich auf der
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