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Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen

Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen

Titel: Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Lenz
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Angeklagten, rechts von ihm Adam Kuhl in einer angenommenen Zeugenbank, vor ihnen das Scheingericht - wobei ich dir sagen muß, daß es ihn überhaupt nicht störte, mich als Beisitzer vorzufinden. Das nahm ich auch an: ihm genügte der Staatsanwalt. Und dann also, nach der Vernehmung zur Person, die Anklage. Vater nickte heftig - und zustimmend - als Olaf ihn beschuldigte, den damaligen Machthabern in die Hände gearbeitet zu haben; und er sah fordernd auf Adam Kuhl, um ihn zur Bestätigung der Anklage zu ermuntern. - Wart doch ab, Christine. Olaf erinnerte an die letzten Wochen des Krieges, als alles verloren war, als alles erkennbar verloren war, da gab es nur eins, sich und andere zu retten - allerdings nicht für die, deren Macht zu Ende ging. Sie verlangten eine letzte Erhebung, einen letzten Widerstand, ein letztes Aufgebot - zu diesem letzten Aufgebot sollte auch Adam Kuhl gehören, sie nannten das Volkssturm. Aber Adam Kuhl wollte nicht, er sah nicht ein, daß er noch in letzter Minute etwas riskieren sollte, und um nicht geholt zu werden, simulierte er. Was? Das will ich dir sagen: er gab vor, daß sich sein Sehvermögen von Tag zu Tag verschlechtere, er habe nicht nur Schwierigkeiten, gab er vor, Leute zu unterscheiden, sondern überhaupt zu erkennen, deshalb bitte er, vom letzten Aufgebot befreit zu werden. Der Simulant wurde zum Arzt geschickt, zum Amtsarzt, der sollte die Krankheit bestätigen. - Eben, Christine, das sollte man annehmen, zumal Vater einer der letzten Ärzte bei uns war, alle anderen waren fort. So erschien jedenfalls Adam Kuhl bei Vater, und der untersuchte ihn und gab vor, zu glauben, was Kuhl ihm auftischte; doch er tat es nur, um dem Simulanten den Argwohn zu nehmen. Ich wollte, daß er sich in Sicherheit wiege, sagte Vater vor unserem Gericht, einfach, weil ich ihn so am ehesten überführen konnte. - Wie bitte? Nicht so ungeduldig. Zuerst mußt du dir die Szene vorstellen. Kuhl, der Belastungszeuge, versucht alles zu verharmlosen; er sagt, es hätte alles viel schlimmer kommen können, oder: Hauptsache, das Ende war gut, worauf der Angeklagte ärgerlich wird und den Zeugen ermahnt, die Vorgänge nicht zu bagatellisieren. Der Angeklagte fordert den Zeugen gewissermaßen auf, ihn angemessen zu belasten, und der alte Kuhl gibt traurig zu, daß Vater allerhand mit ihm anstellte: er entzündete ein Streichholz vor den Augen des Simulanten, ließ ihn - ein sicherer Test - durch einen niedrigen Türrahmen gehen; er stellte ihm jedenfalls mehrere Fallen, und schließlich schaffte er es, Adam Kuhl zu überführen: Vater beobachtete ihn, wie er seine Rente abholte und das Geld nachzählte. Kuhl sagte vor unserem Gericht: Zum Schluß, da hat der Herr Doktor mich durchschaut und hat mich gemeldet, was er ja hat tun müssen. Und Vater, aufspringend: Ich hätte den Zeugen decken können. Ich tat es nicht. Ich überführte ihn und lieferte ihn aus; sie schickten ihn in eine Strafeinheit, nachdem sie ihn zunächst zum Tode verurteilt hatten. Du hättest sehen sollen, Christine, wie der Angeklagte den Zeugen zu seinen Ungunsten berichtigte. Kuhl sagte tatsächlich einmal, der Herr Doktor habe ja nur seine Pflicht getan. Das reizte Vater so sehr, daß er Adam Kühl in scharfen Worten klarmachte, welche größere Pflicht er verletzt habe, als er die von ihm verlangte so blind erfüllte. Nein, für Adam Kuhl ging es nicht rasch vorüber, seine Einheit geriet in Gefangenschaft, und er selbst hat über vier Jahre in einem Lager am Eismeer gesessen; die Herzkrankheit, die er von dort mitbrachte, ist nicht simuliert. Vater übernahm die Verantwortung für alles, was sein Belastungszeuge durchlitten hatte. Er erklärte sich schuldig im Sinne der Anklage und bat, verurteilt zu werden - wobei er das Gericht aufforderte bei seinem Schuldspruch auch die anderen Vergehen zu berücksichtigen. Du hast recht: Vater übertraf jeden Staatsanwalt, und auf die Versuche Günters, ihn zu verteidigen, reagierte er nicht nur mit Unwillen, sondern auch mit Zwischenrufen. So etwas hast du noch nicht erlebt, wie der seinen Verteidiger widerlegte! Vater mußte mehrmals ermahnt werden. Wirklich, es war keine gespielte Feindseligkeit, mit der er Günter manchmal ansah. Das ist das richtige Wort: unbarmherzig; er kämpfte unbarmherzig um eine ihm angemessene Strafe, von der er glaubte, daß sie ihm rechtmäßig zukomme. Je bedenklicher es für ihn wurde, je schwerwiegender sein Fall erschien, desto größer wurde seine

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