Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen
schmächtigen, durchnäßten Mann nieder. Ich binde ihn mit Kabelschnüren auf dem Streckbrett fest - klein genug ist er, es läßt sich allerhand an ihm strecken. Sein Gesicht ist verschlossen, die Lippen zittern. Er liegt ohne Protest da. Ich lausche auf seinen Atem und zweifle nicht, daß es Erich gelingen wird, alles von ihm zu erfahren; wir werden über die Umgruppierungen der Streitkräfte im westlichen Bergland Bescheid wissen, bevor die einzelnen Kommandeure etwas davon hören.
Erich dreht das Rad, die hölzernen Blocke gleiten in den Lagerungen. Der kleine Körper in dem nassen Zeug strafft sich. Die Lippen des Oberbefehlshabers springen auf. Auch das, sagt Erich zum Fenster, dient nur dazu, die Erinnerung freizulegen. Gespannt beobachten wir, wie der gebundene Körper sich streckt, wie er sich aufbäumt und fällt und schließlich auf den gleichbleibenden Zug nur noch mit einem Stöhnen antwortet. Wir brauchen nicht auf den rechten Zeigefinger zu achten - das besorgt der Stabschef am Fenster -, wir können uns konzentriert der Vernehmung widmen. Ich will Erich den Ledergürtel reichen, doch er verwarnt mich durch einen Blick, und ich hänge den Gürtel wieder an den Haken. Ich beuge mich tief über den Oberbefehlshaber. Er ist bei gutem Bewußtsein. Erich beginnt mit seiner flüsternden Vernehmung, zieht die Drehung an, fragt, dreht abermals und fragt weiter - so lange, bis der Oberbefehlshaber aufschreit und sich auf die Lippen beißt; den Zeigefinger hebt er nicht. Nur die Nummer deines Regiments, sagt Erich, dann hört alles auf, nur die kleine, bescheidene Nummer. Erzähl uns, was du weißt, sagt Erich und zieht an; da hätte manch einer zu sprechen begonnen bei so vielen Drehungen. Der Oberbefehlshaber schweigt. Er hält den Schmerz aus und schweigt. Wir können die Unruhe verstehen, die sich am Fenster bemerkbar macht, wir können auch den Wunsch des Burschen einsehen, der unaufhörlich versucht, sich seinem Oberbefehlshaber mit einem gefüllten Cognacglas zu nähern, doch da es eine normale Probe sein soll, können wir die regelmäßige Stärkung durch Cognac nicht zulassen. Der Zivilist schreibt jetzt hastig, er tarnt sich mit Gleichgültigkeit. Der Adjutant raucht, nur der Stabschef scheint zu leiden. Ich blicke bewundernd auf Erich und frage mich: Wie kann er so ruhig bleiben bei aller Erfolglosigkeit? Setzt er, so frage ich mich, seine ganze Hoffnung auf den Bügeltisch, auf dem, im rechten Augenblick, alle gesprächig wurden? Bisher ist es noch keinem gelungen, auf dem Bügeltisch stumm zu bleiben. Ich meine, hier entdeckten auf einmal alle ihr Gedächtnis. Will Erich es bis zum Bügeltisch kommen lassen?
Erich gibt mir ein Zeichen, ich binde den Oberbefehlshaber los, stelle ihn auf die Füße und muß ihn auffangen und halten, muß ihn, dessen Leichtigkeit mich überrascht, auf den Arm nehmen und hinübertragen auf den Bügeltisch, den Erich selbst entwickelt hat. Wieder binde ich den Oberbefehlshaber fest und mache ihn darauf aufmerksam, daß er, wie jeder vor ihm, die Möglichkeit hat, durch das Heben des rechten Zeigefingers die Vernehmung augenblicklich auszusetzen. Ich versichere mich, ob er verstanden hat. Er hat verstanden, denn er nickt schwach. Er hat die Augen geschlossen und bibbert unter der Kälte eines für ihn neuen Schmerzes. Erich duckt sich. Erich schreit auf einmal los, daß ich selbst erschrecke. Die Nummer, schreit er, ich will die Nummer deines Regiments hören. Der Oberbefehlshaber schweigt. Erich nimmt das vorgewärmte Bügeleisen aus der Halterung, hebt es hoch über den schmächtigen Körper und zwingt den Oberbefehlshaber, das Bügeleisen anzublicken. Erich macht die Wärmeprobe, indem er mit zwei angefeuchteten Fingerkuppen leicht gegen das Eisen tippt und sich eine zischende Bestätigung geben läßt, dann senkt er langsam das Bügeleisen, berührt leicht einen Schenkel, läßt Dampf aufsteigen und sagt: Trocknen, wir werden dich ganz trockenbügeln, denn mit nasser Uniform können wir dich nicht entlassen. Erich arbeitet weiter. Der Oberbefehlshaber schlägt mit den Absätzen, seine Schultern zucken. Er unterdrückt den Atem. Er will etwas sagen, jetzt, jetzt will er etwas sagen, nein, er schluckt nur, spannt seine Halsmuskeln, er scharrt mit den Händen rasend auf dem Tisch, aber den Zeigefinger, den Zeigefinger hebt er nicht.
Dann bemerke ich, wie er die Augen öffnet und Erich ansieht, nicht befehlend oder auffordernd, sondern eher skeptisch und
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