Einzelkaempfer
hier das Schild ›Aushilfe gesucht‹ von der Tür vor die Stirn schlug, kamen wir näher in Kontakt. Das Auflesen und mein Herüberreichen der herab gefallenen Stellenausschreibung nahm Rudi gleich als Bewerbung.
Nur einmal hatte ich das Paar streiten hören. Tags darauf hatte sie ein blaues Auge, er eine Kratzwunde auf der Wange und sie umschlichen sich wie zwei paarungsbereite Pumas. Jeder streitet so gut er kann. Marie und ich konnten es nicht. Haken dran, Reifen runter und Schlauch in den Eimer. Aus gleich zwei Löchern blubbern kleine Blasen. Flickzeug drauf, Wunden versiegelt, rauf auf die Felge, Reifen drum und frisch aufgepumpt ans Werk, mein Tagesmotto heute.
Susanne lädt mich auf einen Kaffee ein. Ein Angebot, das ich nicht ablehnen möchte, trotz meiner Terminsituation. Es ist jetzt schon 11 Uhr und bis ich an meinem heute noch zu wählenden Arbeitsplatz wäre, würde bestimmt noch eine Stunde vergehen. Wir besprechen den Aushilfenplan für die Wochenenden im Januar und Februar. Ja, ich kann jedes zweite Wochenende Tankstellenschicht übernehmen, kein Problem, bin ja flexibel. Eine Grundvoraussetzung für den Gründer. Von der Beantwortung der Frage, was ich heute zu treiben gedenke, enthebt mich das Läuten des Telefons. Die Polizei ist dran und braucht den Abschleppdienst. Ein Lebendgeflügeltransporter ist in der Ausfahrt Dillenburg in ein Stauende gerasselt. Jetzt sind viele helfende Hände und Kranwagen gefragt. Susanne blickt mich Hilfe suchend an, ich nicke und sie sagt zum Cop am Ende der Leitung, sie sei schon unterwegs. Die Klassefrau schwingt sich auf den gelben Abschleppwagen und braust mit orange leuchtendem Blinklicht ins Geflügelchaos. Ich zieh mir die Joppe an, die mich als autorisierten Kassierer ausweist und freue mich ein bisschen, dass der Erwerb für die nächsten Stunden gesichert ist.
8
Da reisen sie wieder an, die Luden und ihre Pferdchen, die sie in ihren Wohnwagenboxen an der B54 absetzen. Mann, bei der Kälte. Nee, lieber ein armer Sack sein, als ein armes Mädel, denke ich bei mir und gebe dem golden beringten, randlos bebrillten und Davidoff-Duft verströmendem Gewerbetreibenden sein Wechselgeld zurück Die Karawane zieht weiter und lockt einsame Westerwälder und durchreisende Schwänze an, die einen Waldweg weiter im Gestrüpp ihr Auto verbergen, unerkannt, unter dem Dach dunkelgrüner Tannen, die schon einiges erlebt haben. Kondome fehlen hier im Kassenbereich. Und Desinfektionssprays. Werde ich gleich auf meiner Liste der Verbesserungsvorschläge notieren. Vielleicht kann ich meinen derzeitigen Arbeitgeber gar als Kunden gewinnen und ein Konzept für die Optimierung der frei gestaltbaren Regalflächen im Shop anbieten.
Sie sah irgendwie traurig aus, oder eher gelangweilt – die schwarze Schönheit auf dem Rücksitz des silbernen Luden-Mercedes. Ein großer Prozentsatz der Männer soll ja schon mal bei einer Professionellen gewesen sein. Also ich nicht, ehrlich, ich lüg Sie jetzt hier nicht aus Gründen der Imagepflege an. Ich könnte das nicht, schon gar nicht in einem Wohnwagen. Sicher, die nötigen Hygienemaßnahmen werden wohl getroffen, aber allein der Gedanke, das ich für Sex zahlen muss, in der Frau vorher wahrscheinlich irgendein Unsympath gesteckt hat und vielleicht vor der Tür sich der nächste arme Wicht die Hoden zurechtrückt – nee – für mich wäre das nichts. Da vertraue ich doch lieber der eigenen Handwerkskunst, da weiß Mann was man hat und braucht sich für sein Tempo nicht zu entschuldigen.
»Haben Sie Windeln?«, fragt eine verzweifelt dreinblickende junge Mutter mit ihrem stinkenden Baby unter dem Arm. Windeln, wo soll ich denn da nachsehen? Nach Windeln hat mich noch niemand gefragt. Wie so oft in den letzten Monaten bin ich froh über den Umstand, der Marie und mir keine anderen Umstände verschafft hat. Hinten raus stinkt es und vorne raus brüllt es. Ich schaue im Regal unter der Kasse nach, werde überraschend fündig und gebe der Mutter mit ihrem Monster eine angestaubte Probepackung Windeln mit dem Vermerk ›Adressat unbekannt verzogen‹, die René, der Postbote, offensichtlich mal hier gelassen haben muss. Mit Feuchttüchern kann ich jedoch nicht dienen. Soll sie doch Papierhandtücher und Scheibenklar benutzen. Nachdem die Frau mit unser aller deutscher Zukunft im Arm, frisch gewickelt und wieder zufrieden, die Toilette der Tankstelle verlassen hat, lüfte ich erst mal durch – boah, was für eine Duftnote,
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