Einzelkaempfer
hinter einem goldgeschmückten Tannenbaum und gleitet auf der Rolltreppe hinauf in die oberste Etage. Übrig von der beinahe unwirklichen Begegnung bleibt die Banane in meiner Hand und der Geruch von nassem Hund in meiner Nase. Als die Leute merken, dass es nichts mehr zu sehen gibt, da die Polizisten bereits das Feld geräumt haben, löst sich die Versammlung langsam auf. Hungrig mache ich mich über die Südfrucht her, genau das Richtige für einen vom Alkohol gebeutelten Magen. Danke, namenloser Wanderer.
Wo er wo hinwill, wo er her kam? Vielleicht sollte ich mein persönliches Leistungsangebot um den Posten: Fremdenführung im Dreiländereck bereichern? Es gäbe mehrere Adventure Touren: ›Lauern auf den Dilldapp‹, gegen aufkommenden Hunger: Einkehr in heimelige Fachwerkhäuschen mit heimischer Küche, oder ›Auf den Spuren des Haselhuhns‹ oder ›Schatzsuche im Silbersee‹, wie wäre ›Powersägen im Hauberg‹ oder ›Workout im Schiefergestein‹? Träum weiter. Reich wirst du hier damit bestimmt nicht, entgegnet der Pessimist in mir, der auch schon oft überlegt hat, wegzuziehen, doch sich bislang nicht durchsetzen konnte. Das hat wohl auch was mit einer gewissen Trägheit zu tun.
Ich habe mir noch gar keine Gedanken über die Länge meines Arbeitstages gemacht, stehe ich jetzt schon seit der Früh vor und hier in der Passage. Wenn ich meine Anfahrt hinzurechne, käme ich auf acht Stunden und es ist erst 16 Uhr. Da ich noch Umsatz erhoffe, die Büroleute strömen jetzt erst in die City-Galerie, werde ich ausharren. Ein Unternehmer hat keinen Acht-Stunden-Tag, da sollten wir uns nichts vormachen. Auch die Werbeleute in den Agenturen sind im Grunde mehr oder minder Leibeigene des Inhabers, erzählte neulich eine aus meiner Umschulung, die ich beim Tanken traf. Beim letzten Tanken für lange Zeit. Bis ich mir wieder würde ein Auto leisten können wollen, wird wohl einige Zeit verstreichen. Ich bin froh, wenn ich die Miete zahlen kann. Zweihundert Euro warm für eine Art Wohn-Klo. Aber gemütlich hab ich es in der 30 qm Dachwohnung, allein schon deshalb, weil die Schrägen bis zum Boden reichen. Dieser Tatbestand vereinfachte auch die Frage nach dem passenden Mobiliar. So konnte meine Ex die ganzen angepassten Möbel behalten. Habe ich eh nie gemocht, die starre Einbauküche im Einbauleben, die feste Sitzgruppe im festgesetzten Einerlei. Aufstehen, Brot schmieren, auf die Arbeit gehen, müde nach Hause kommen, vor dem TV einschlafen. Ich weiß gar nicht warum meine geschiedene Frau allein mir die Schuld dafür in die Schuhe schob. Wer wollte denn den beleuchteten Vitrinenschrank, für den Überstunden gemacht werden mussten – ich mal nicht. Trotz trüber Gedanken versuche ich freundlich zu gucken, ich bin schließlich Geschäftsmann und fühle mich zudem seit einigen Minuten beobachtet. Mein Blick schweift suchend durch die Tüten mit Kopf drauf, Armen dran und Beinen drunter. Einige Menschen versuchen wahrscheinlich, ihre Weihnachtsgeschenkgutscheine einzulösen. Auch so eine Sache mit den Gutscheinen. Da denkt man, man sei somit auf der sicheren Seite und könne sich nicht vergreifen, doch weit gefehlt. »Für die Summe kriege ich in dem Laden doch nichts Anständiges zum Anziehen«, war ein oft gehörter Vorwurf meiner Ex. Wieder Single sein hat durchaus Vorteile. Keine Weihnachtsgutscheine einlösen zu müssen auch. Hundert Geschäfte allein hier, in meinem gewählten Arbeitsbereich. Die vielen anderen in der Stadt gar nicht mitgerechnet. Ich könnte durchaus mit meinem Schild durch die Bahnhofstraße spazieren, am Kölner Tor hinauf bis zur Marburger Straße und wieder die steilste Fußgängerzone Deutschlands hinunter. Doch die Oberstadt kränkelt ein wenig, heißt es. Klar, wenn die hier unten so ein Einkaufszentrum errichten und die Verkaufsflächen in der Unterstadt erhöhen. Sieg-Caree heißt die kommende Shopping-Mall, für die gegenüber eine Häuserzeile weichen musste. Ob das mal alles gut geht? Wer soll das alles kaufen? Gibt es überhaupt ein Leben nach der Sozialreform? Ein kurzes Gefühl von Endzeitpanik flammt in mir auf. Jetzt halt mal den Ball flach, stutze ich meine Existenzsorgen zurecht. Sollte ich mich lieber später vor den ebenfalls in der Bauphase befindlichen IKEA-Markt platzieren, mit einem Bauchladen, Dübel, Werkzeugkiste, Bohrersätze im Anschlag – allzeit bereit zierlichen Damen beim Beladen ihrer umgeklappten Sitzbänke mit sperrigen Pressholzteilen helfend
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