Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke
schon was?«
»Nein. Wo ist das Mistding?«
»Wieso hast du ihn auch weggeschmissen?«, sagt Tim, sich im Teich drehend. »So etwas legt man in eine Schatulle zurück oder im Bad auf die Ablage.«
»Es war eine Geste! Pass auf, da wird’s tiefer.«
»Wo?«
Mein Nachbar watet ein Stück zurück.
»Ist glitschig hier! Und ich glaube, in meiner Hose steckt eine Wasserschnecke oder so was.«
»Ssssssssch!«, zische ich. »Frau Sondtheim wird uns noch entdecken.«
In dem Moment springt das Licht über dem Terrasseneingang an. Ich traue mich nicht, mich umzudrehen. Tim hingegen reißt die Augen auf.
»Frau Sondtheim hat euch schon entdeckt!«, höre ich die Stimme meiner Nachbarin in meinem Nacken.
»Ach, hallo!«, meint Tim, tritt einen Schritt zurück und fängt an, im Teich zu schwanken. Wild rudert er mit den Armen. Ich eile in seine Nähe und strecke eine Hand nach ihm aus. Aber vergebens. Mit einem lauten Klatschen stürzt Tim rücklings in den Teich. Das Wasser schwappt bis zu mir. Mit einem Schlag bin ich pitschnass. Ach, und ich fische mir eine Alge aus dem Pony.
»Kommen Sie sofort da raus! Was machen Sie denn um Himmels willen da?«
Ich ziehe den nach Aquarium stinkenden Tim aus dem Teich. »Hast du den Ring gefunden, wo du da unten schon mal warst?«, raune ich ihm zu.
»Nein, Anna«, antwortet er etwas zerknirscht. Nass und zitternd versuchen wir, uns den kleinen Weg neben dem Wohnhaus entlang zu verdrücken, Frau Sondtheim stellt sich uns jedoch mit den Händen fest vor der Brust verschränkt in den Weg.
»Wir wollen gar nicht weiter stören«, sage ich freundlich.
»Sie gehen nirgendwohin, bevor Sie mir nicht erzählen, was Sie in meinem Teich zu suchen haben. Andernfalls rufe ich die Polizei. Wegen Hausfriedensbruch.« Frau Sondtheim lächelt. »Und sparen Sie sich die Fluchtgedanken. Ich weiß, wo Sie wohnen.«
»Ha, der war nicht schlecht«, lacht Tim tatsächlich und knufft mich in die Seite. »Der war nicht schlecht, was Anna? Nu erzähl’s ihr schon. Okay? Mach schon!«
Mein Nachbar sieht mich nass und zitternd, nach Algen stinkend und flehend an.
Ich seufze.
Na wunderbar.
Auch das noch.
Wie lange würde Frau Sondtheim mich mit der Geschichte aufziehen?
»Also gut. Ich hatte da einen Ring, der mir … aus Versehen vom Balkon und dann genau hier in Ihren Teich gefallen ist.«
Meine Nachbarin wirft ihre perfekt geschnittene Haarkante mit einer raschen Kopfbewegung in den Nacken.
»Quatschen Sie nicht, Frau Lenartz, Ihnen fällt der Ring doch nicht einfach so von Ihrem Finger und dann noch vom Balkon in meinen Teich! Abgesehen davon, dass diese Geschichte absolut albern ist, kenne ich Sie, Frau Lenartz. Sie werfen ja des Öfteren mal Dinge von Ihrem Balkon, die Ihnen nicht mehr lieb und teuer sind, nicht wahr?«
»Anna!«, ermahnt Tim mich.
»Schon gut. Schon gut. Schon gut. Ich habe den Ring getragen als Zeichen meiner Freiheit und Unabhängigkeit. Dann habe ich diesen unfassbar bescheuerten Fehler gemacht, mich in einen Mann zu verlieben. Als Zeichen dafür, wie ernst ich es mit ihm meine, habe ich symbolisch vor seinen Augen den Ring vom Finger genommen und über das Balkongeländer geworfen. Wobei er dann wahrscheinlich in Ihrem Teich gelandet ist.«
»Tsissis. Das Fräulein Lenartz und die Liebe! Sie werden wirklich immer verrückter. Ist es dieser Typ, der mal für die Gala fotografiert hat? Moritz?«
»Ja.«
»Hm. Darum ist es in der Tat überaus schade … und jetzt verschwinden Sie aus meinem Garten! Und trampeln Sie mir nicht auch noch die Geranien kaputt, hören Sie.«
Das lässt Tim sich nicht zweimal sagen. Er watet den schmalen Weg neben dem Haus entlang, während das Wasser in seinen Gummistiefeln bei jedem Schritt quietscht. Ich folge ihm, drehe mich jedoch noch einmal um, als Frau Sondtheim ruft: »Gute Nacht, Fräulein Lenartz!« Sie hebt eine Hand und winkt mir, und an einem Finger – nein, das kann doch gar nicht wahr sein – blinkt doch tatsächlich mein einstiger Ring im Mondschein!
Dieses Luder.
Mein Gott, ist die gut!
Die Runde geht eindeutig an Frau Sondtheim.
*
In meiner Wohnung angekommen, streife ich die nasse Strickjacke von meinen Armen und fische mir noch ein paar Seerosenblätter aus den Haaren, als es an der Wohnungstür klopft. Mit einem Blickin den Spiegel im Flur ziehe ich mir noch ein letztes Stängelchen Seerose, das sich in einer Strähne verheddert hatte, aus den Haaren, als ich bereits die Türklinke
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