Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke
Zuhause, die Aufmerksamkeit, die du brauchtest, und er hat dich so unendlich geliebt. Wenn ich dich mitgenommen hätte, ich hätte ihm doppelt das Herz gebrochen und dirnicht im Ansatz das bieten können, was du verdient hast. Verstehst du?«
…
»Die Dinge sind zu intensiv geworden. So habe ich es mein Leben lang gemacht. Wenn du denkst, ich habe einfach einen neuen Mann gefunden und bin mit ihm glücklich geworden, dann irrst du dich. Wann immer jemand angefangen hat, mir etwas zu bedeuten, bin ich wieder davongelaufen. Die Liebe ist ein Risiko, das ich nicht eingehen wollte.«
Ich versuche durchzuatmen und zu verstehen.
»Ja, damit hast du wahrscheinlich auch gar nicht so unrecht.«
»Doch!«, protestiert meine Mutter. »Anna, deswegen bin ich hier! Ich habe dein Leben immer verfolgt. Ich hatte Menschen, die mir von dir erzählt haben, und ich war stets in deiner Nähe, auch wenn du es nicht bemerken konntest. Ich weiß, dass du mit Frederik zusammen warst, weil er dir nicht so viel bedeutet hat. Weil es kein Risiko für dich war. Du hast dich versteckt in dieser Beziehung.«
»Und wenn schon. Ich war zufrieden. Viel zufriedener, als ich es jetzt bin.«
Meine Mutter lehnt sich in ihrem Stuhl zurück und stöhnt. Völlig unangebracht, wie ich finde. Warum habe ich mich nur mit ihr getroffen?
»Mach nicht die gleichen Fehler wie ich, Anna.«
»Ich will jetzt zahlen!« Ich drehe mich nach der Bedienung um.
»Ich weiß, dass du jemanden kennen gelernt hast, der dir etwas bedeutet. Dieser Moritz.«
Ich springe vom Stuhl auf. Wut schießt durch meinen Körper bis in die letzte Faser.
»Du weißt nicht, wovon du sprichst, Hedi. Und ich sage dir, duhattest recht damit, uns damals zu verlassen! Du hattest recht damit, dich nicht auf Dinge einzulassen, die größer sind als du. Du hattest recht damit, dass man die Dinge loslassen muss, bevor sie einen zerreißen!«
Meiner Mutter steigen Tränen in die Augen. Noch nie zuvor habe ich meine Mutter weinen sehen. Das ist zu viel!
»Anna. Ich bin jeden Sonntag um sechzehn Uhr hier. Jeden Sonntag«, sagt sie leise.
Ich kann nichts erwidern. Hilflos stürze ich auf die Straße und rufe mir ein Taxi.
*
Mein Handy klingelt noch im Taxi. Mit zitternden Fingern nehme ich das Gespräch an.
»Hallo Tim?«
»Anna, erinnerst du dich noch an unseren Notfallplan? Ich muss davon Gebrauch machen. Sofort!«
*
»Ich kann jetzt mit dir schlafen!« Ich stehe vor Tim in seinem Wohnzimmer und stemme die Hände in die Taille. Tim sieht mich verwundert an und platziert mich erst mal neben sich auf die Couch.
»Wie meinst du das?«
»Unser Notfallplan!«
»Das war doch nur Spaß!«
Ich sehe Tim mit großen Augen an.
»Das war doch nur Spaß?«, wiederholt er verunsichert.
»Was ist passiert?«, lenke ich das Thema kurzfristig erst einmal in eine andere Richtung. Ich falle nach hinten ins Sofa, seufze erschöpft und beobachte meinen Nachbarn aus dem Augenwinkel.
»Ich habe grad noch mal die Kurve gekriegt und mich von Corinna getrennt. Sie hat wirklich angefangen zu nerven. Und jetzt fühle ich mich alleine und will mich bei dir ein bisschen ausheulen. Und mit dir schlafen. Das ist alles.«
»Oh. Toll. Das habe ich auch geschafft. Grad noch mal die Kurve gekriegt, mich von Moritz getrennt. Er hat wirklich angefangen zu nerven. Und jetzt fühle ich mich alleine und will mit dir schlafen!« Ich kann ein verzweifeltes hysterisches Lachen nicht unterdrücken. Und ich spüre, dass davon noch mehr in mir schlummert.
Tim fällt zu mir zurück auf die Couch. Mit dem Blick an die Zimmerdecke gerichtet, meint er ruhig: »Wer hätte das gedacht, dass diese Situation mal eintrifft. Dieser Zustand macht mir Angst!«
»Das heißt, wir schlafen nicht miteinander?«
»Nein.«
»Hm. Aber könntest du mir vielleicht bei etwas anderem behilflich sein? Wir müssten nur warten, bis die Sonne untergegangen ist!«
»Was hast du jetzt wieder vor?«
»Hattest du nicht mal gesagt, es wäre dein größter heimlicher Traum, einmal nackt in den Teich von Frau Sondtheim zu springen?«
*
Der hintere Teil der Wohnung von Frau Sondtheim liegt im Dunkeln. Wir spekulieren darauf, dass sie in der Küche ist, weil Licht aus dem Fenster auf den kleinen Weg fällt, der sich links am Wohnhaus entlangschlängelt. Tim steckt in seiner Angelhose und steht mit einem Kescher bewaffnet im Teich, während ich mit einerTaschenlampe zwischen Seerosen und Koikarpfen den Grund abzuleuchten versuche.
»Siehst du
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