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Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
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genug, diese These gegenüber Gelehrten behaupten zu können, ohne sich der Lächerlichkeit preiszugeben.
    Farid hatte indessen die Papiere mit den abgeriebenen Hieroglyphen in einer Tasche verstaut, sich eine tragbare Karbidlampe gegriffen und wollte sich auf den Weg zur Treppe machen, die in die dritte Kammer führte. Dann merkte er, dass Heinrich ihm nicht folgte.
    „Kommst du?“, fragte er.
    Der junge Mann aus der Colonia erwachte wie aus einem Traum, griff seinerseits nach einer der Lampen und entgegnete: „Ich komme!“

    Die beiden mussten noch mehrfach nach oben, um ausreichend Lampen herbeizuschaffen, um den Raum hinreichend auszuleuchten. Heinrich blickte sich um. Die Grabkammer war rechteckig, maß ungefähr fünfzehn auf zwanzig Schritt und lag, wenn ihn sein Orientierungssinn nicht täuschte, vermutlich in nord-südlicher Richtung. Das Licht der Karbidlampen zeigte die bekannten, mit zahllosen Hieroglyphen versehenen Sandsteinwände. Absolut erstaunlich, wie wenig die Zeit den Schriftzeichen hatte anhaben können. „Wie gern würde ich die Luft hier unten schnuppern“, dachte Heinrich, war aber nicht so wacker, die Atemmaske abzunehmen.
    In der Raummitte stand ein schmuckloser Sarkophag, der zu klein war, um einen ausgewachsenen Mann aufzunehmen. Auch er war mit Ideogrammen bedeckt. In diesem Sarg lag keine Lösung, er war bereits vor vielen Jahren von æyptischen Archæologen geöffnet worden. Aus den Schriften des Museums wusste Heinrich außerdem, dass es auf der Innenseite keinerlei Interessantes zu finden gab. Im gleichermaßen aus Sandstein gefertigten Sarkophag gab es nichts als einen leeren Hohlraum ohne Fugen oder doppelten Boden. Auch eignete er sich nicht als Zugang zu einem Gang. Kratzspuren um den Schrein zeigten, dass man ihn im Zuge seiner Erforschung schon bewegt hatte. Darunter war auch nichts. Heinrich schüttelte den Kopf. Wenn es hier Merkwürdiges gab, der Steinsarg war es in keinem Fall.
    Doch wo sollte er anfangen, nach etwas abseits der Norm, etwas wahrhaftig Außergewöhnlichem zu suchen? Auf den ersten und auch den zweiten Blick unterschied sich diese Grabkammer bestenfalls in Details von anderen, die er aufgesucht und erforscht hatte. Heinrich drehte sich langsam im Kreis, versuchte, den Odem der Jahrtausende auf sich wirken zu lassen, suchte nach Inspiration, nach einer Eingebung, einem Geistesblitz, wollte wie die alten griechischen Philosophen „Heureka!“ rufen, weil ihn die Idee überkam. Doch das Glück war ihm nicht hold.
    „Heinrich …“, sagte Farid.
    „Stör mich jetzt nicht, du törichter Kerl!“ Der Mann aus der Colonia bemühte sich nach wie vor, eine Eingebung, eine Erleuchtung zu erzwingen, in Wahrheit wissend, dass das nicht gelingen würde. Inspiration ließ sich nicht drängen, war unstet.
    „ Sadiki , sieh dir das an!“
    Farid hatte offenbar bessere Einfälle gehabt als sein Dienstherr und war mit einer Kerze durch den Raum gewandert, hatte den Paraffinstumpf mal hierhin, mal dorthin gehalten, einmal höher und einmal tiefer. Jetzt stand er vor der Ostwand, sah Heinrich an und deutete auf das Licht. Es flackerte in einem Luftzug, den es an diesem Ort eigentlich nicht geben durfte.
    „Du hattest recht. Hier müssen irgendwo Spalten sein, die Luftzüge zulassen. Irgendetwas ist hier.“
    Heinrich war außer sich und eilte zu seinem Freund: „Junge, du bist ein Genie! Warum bin ich nicht darauf gekommen?“
    Farid zuckte die Achseln: „Du gibst dir manchmal zu viel Mühe. Wir in Ægypten sagen: Der Eilfertige und der Lahme treffen sich auf der Fähre wieder.“
    Heinrich ließ sich die gutmütige Kritik seines Gefährten gefallen, denn er erkannte, dass dieser recht hatte und eilte zu ihm. Die Ostwand sollte es sein, der sie ihr Geheimnis entlocken mussten. Er ging den Sandstein eilig ab, seine Hand strich darüber, seine Augen untersuchten die Hieroglyphen, beleuchtet von einer leise zischenden Handlampe.
    „Manchmal denke ich, deine Ahnen haben einfach so geschrieben, dass es am besten aussah.“ Seine Hände glitten weiter über die Wand, tasteten hier, drückten dort.
    Farid tat es ihm nach und nickte: „Deswegen ist es für euch regel- und grammatikbesessene Europäer so schwer, diese Schrift zu entschlüsseln.“
    „Deine Landsleute konnten es bisher auch nicht, Kindskopf.“ Heinrich genoss es trotz aller Anspannung, sich auch einmal so flapsig geben zu können wie sein eingeborener Freund.
    „Mag sein, aber ich hatte immerhin die

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