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Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
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und doch konnte er zwar den Finger fast auf die Zeile legen, aber nicht auf das, was sein Verstand sich zu sehen weigerte. Es musste etwas mit der Art zu tun haben, wie die Mastaba angelegt war.
    Heinrich erhob sich. Da er nicht darauf geachtet hatte, wo er sich befand, stieß er sich den Kopf an einem aus der Wand ragenden Sandsteinblock und knickte in den Knien ein. Während er noch mit dem Schmerz rang, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, blitzartig, völlig ohne Vorwarnung. Er brauchte eine zweite Meinung.
    „Farid!“ Seine Stimme war durch die Pneumomaske gedämpft. „Was unterscheidet die Räume dieser Totenstadt von den anderen, die wir besucht haben?“
    Der Angesprochene erschien von der aufgeregt und unerwartet vorgetragenen Frage zuerst verwirrt, denn er war mit dem Abreiben einiger Hieroglyphen befasst und fand nicht sofort eine Antwort. Er kniff die Augen zusammen, riss sie wieder auf und entgegnete dann: „Die Mastabas der frühen Dynastien …“
    „... haben nur einen oder höchstens zwei Räume in der unteren Etage, wo die Gräber der Adligen zu finden sind! Genau!“, unterbrach Heinrich. „Diese hier hat als einzige drei Gemächer! Menschenskind! Das ist es! Wie konnte ich nur etwas so Offensichtliches nicht erkennen? Wie konnte das niemand begreifen?“
    Farid zuckte die Achseln: „Ihr habt den Nil vor lauter Wasser nicht gesehen?“, schlug er in seiner unbekümmerten Art vor und grinste schief.
    „Ich hätte es nicht besser sagen können! Folge mir, ich weiß, wo wir suchen müssen!“
    „Eventuell hat man im dritten Raum ein Kind bestattet?“, fragte der Ægypter nachdenklich.
    „Nein. Abkömmlinge bestattete man üblicherweise im Grabraum der Mütter. Das würde jeglicher Erfahrung widersprechen. In der ersten Grabkammer liegt Khefnephet, in der zweiten ihr ungenannter Ehemann oder Gespiele. Nach allem, was wir aus den von Römern übersetzten und überlieferten Schriften wissen, waren die beiden kinderlos. Was ist in dem Sarkophag?“
    Dem Mann aus der Colonia dämmerte, dass er etwas auf der Spur war. Etwas Großem. In diesem Augenblick war er noch nicht imstande zu ahnen wie groß …

    Mit einem Mal wurde Heinrich mit äußerster Eindringlichkeit gewahr, wo er sich hier eigentlich befand. In einem Jahrtausende alten Grabmal, einem Bauwerk aus einer vergangenen Zeit der Hochkultur, einer Zeit, die æonenlang Geschichte gewesen war – und dennoch hatten die Gemäuer der vorchristlichen Ægypter all das überdauert. Er drehte sich und blickte umher, fast schien es ihm, als sei es das erste Mal, dabei hielt er sich seit Tagen in dieser Grabstätte auf. Flackerndes Licht aus unzähligen Karbidlampen auf Stativen erleuchtete den Raum nur unzureichend und verlieh ihm auf schwer zu erklärende Art etwas Unwirkliches, fast wie bei einem Bild, das nicht ganz korrekt fokussiert war. Es roch nach Acetylen. Er sah nach oben. Die Decke war aufgrund der Beleuchtung nur schlecht zu erkennen. Er war umgeben von den relativ kruden Sarkophagen, in denen Bedienstete und Verwandte der Khefnephet beigesetzt worden waren, um ihr bei der Wiedergeburt im Jenseits zu Diensten sein zu können oder als Unterhaltung verfügbar zu sein.
    Uneingeweihte nahmen normalerweise an, dass es in ægyptischen Gräbern staubig und schmutzig sei, voller Spinnweben, doch das Gegenteil war der Fall. Noch zur Zeit der späten osmanischen Herrschaft hatten frühe hiesige Forscher versucht, die Grabstätten zu erschließen und durch Hilfsarbeiter reinigen lassen. Etliche von ihnen waren dabei an den vermeintlichen Flüchen der Gottkönige gestorben. Erst die Erfindung der Pneumomaske hatte es möglich gemacht, die zumeist unterirdischen Bauwerke großflächig zu säubern und geregelten Forschungen nachzugehen. Während Heinrich sich den Schweiß von der Stirn wischte, wünschte er sich, er könne die Maske beiseitelegen und die Luft hier unten riechen und schmecken. Doch so lebensmüde war er nicht, trotz der Reinigungen wimmelten die Räume sicher noch von Schimmelpilzen der Gattung Aspergillus flavus .
    Die irrlichternden Lampen warfen ihren Schein auf Wände, die über und über mit Hieroglyphen und Ideogrammen übersät waren. Die schlausten Köpfe Ægyptens und hin und wieder auch anderer Länder hatten sich damit befasst, waren jedoch zu keinerlei Ergebnissen gekommen. Heinrich vermutete ihrer aller Probleme darin, dass es keine Selbstlaute in den Zeichendarstellungen von Sprache gab, aber er war noch nicht weit

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