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Eis

Eis

Titel: Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kosch
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könnt auch ich ihn heut benutzen und in die Stadt fahren. Und auch die Mitićs würden fahren“, fügte sie etwas leiser hinzu, „so aber weiß ich weder wann noch wie …“
    „Schon gut“, lenkte er ein, „spätestens morgen wird alles klar sein. Entweder werden sie die Straße räumen, oder der Schnee schmilzt heute nacht weg.“ Und er kehrte zu seinem Buch zurück.
    Das Mädchen, etwas später, bevor es sich legen wollte, brachte den Müll auf den Hof und verriegelte das äußere Tor. Sie streifte die Füße ab, kam herein und fragte, ob die Hausfrau sie noch brauche. Im Lampenschein schimmerte ihr Haar und darin silbrige Tröpfchen. Ein paar Tropfen glitten ihr das Gesicht hinab.
    „Was ist?“ fragte die Hausfrau streng. „Haben Sie wieder geweint?“
    „Nein“, sagte das Mädchen. „Ich war auf dem Hof. Es schneit wieder.“
    „Schon wieder?“ verwunderte sich Frau Krekić und ging zum Fenster. Sie zog die Gardinen zurück und schaute hinaus. Gegen das Licht der Straßenlaterne war schön zu sehen, wie dichte und große Flocken vorbeiglitten, und etwas weiter – das schwarze Dach des Wagens, soeben erst gesäubert, war wieder weiß.
     
    Genau ein halber Meter fiel in dieser dritten Nacht und schüttete alles wieder zu, was die Menschen am Tag zuvor freigeschaufelt hatten. Dann hörte es wieder auf zu schneien. Alles war weiß. Und sehr still in den folgenden Tagen. Als wäre nichts Ungewöhnliches passiert. Und der Schnee – als habe er nach getaner Arbeit seine Arme geschüttelt und kreuze sie nun, sich ausruhend, über der Brust – streckte sich still, rein und zuversichtlich über der Erde aus, nicht im geringsten bewegt von der Unruhe und der Ungeduld seiner müßigen Zuschauer. Es war Anfang April.
    Auch der Himmel war nicht mehr winterlich grau, sondern glasblau, wie frisch emailliert, feucht gewischt und vom Staub befreit. Als war eine Schutzhülle von ihm genommen worden, wirkte er nähergerückt, derart zum Greifen nahe, daß wir die Hände hätten in ihn tauchen, ihn fassen, in ihm plantschen und sie sauber gewaschen und mit seiner frischen Bläue getönt daraus hervorziehen können. Die Sonne setzte ihre Bahn fort, nun schon recht hoch stehend, wie es dem April und der Jahreszeit entsprach. In ihrem Licht blinkten die Schneekristalle, zu ihr hin reckten sich die Blätter der Topfblumen und die Finger der Schlingpflanzen, aber der Schnee schmolz nicht, und die Fensterscheiben erwärmten sich nicht. Die Sonne hatte Zähne, sie biß, statt zu wärmen. Von den Mündern der Menschen erhob sich Dampf, die Gesichter und Hände der Kinder röteten sich, der Schnee unter den Füßen knirschte trocken, wie nicht geölt, mit ihren Flügeln bedeckt hockten die Vögel in den Bäumen, und auf den Telefon- und Stromleitungen setzte sich spinnwebartiger Reif ab. Wie in alten Zeiten, als es noch weder Asphalt noch Gehsteige gab, erstreckten sich verschneite öde Flächen zwischen den Häusern; an den Rändern, die Häuser berührend, rannen die schmutzigen Bäche der ausgetretenen Pfade dahin. Alle Maschinen: Traktoren, Schneepflüge, Spezialreiniger, Bulldozer, und alle Arbeitskräfte wurden ins Zentrum geworfen, auf die Hauptverkehrstangenten, wie es in der Amtssprache der städtischen Verlautbarungen hieß. Aber auch von dort konnte der Schnee nicht völlig entfernt werden. Die Fahrbahnen wurden nur geebnet und der Schnee die Gehsteige entlang so hoch aufgetürmt, daß man nicht von einer Seite auf die andere sehen konnte. Auch die längsten Menschen konnten sich nicht über die Straße hinweg begrüßen, und die Frauen, wenn sie sich hinter den Schneebarrieren bewegten, konnten nicht sehen, was auf der anderen Seite in den Schaufenstern ausgestellt war.
    Die Leute machten sich mit diesem Mißgeschick irgendwie vertraut. Und nach der ersten Überraschung beruhigten sie sich. Sie lebten sich ein in das Unabwendbare und versöhnten sich mit dem Unausweichlichen. „Auch die Natur muß sich austoben“, sagten sie; „was wir im Winter umgangen haben, hat uns jetzt erreicht.“ Die Kinder in den Volksschulen wiederholten auswendig, aber nicht gerade überzeugend, das Verslein: „Winter, Winter, na und wenn! Winter ist ja doch kein Löwe …“, und die Eltern rieben ihnen die Füßchen und hauchten ihnen in die erstarrten Händchen. Aus den Schränken wurden Wintermäntel, Schals und Schnürschuhe wieder hervorgeholt. Hin und wieder wurden auch Kissen zwischen die Fensterscheiben gestopft, wie im

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