Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
noch vor ihnen. Und nun das! Er schnappte sich seine Molle und ging in die Waschküche.
Der Schlachter hatte, wie immer, sein eigenes Werkzeug mitgebracht, einschließlich eines übergroßen Fleischwolfs, der heute noch einen Hauptteil der Arbeit zu leisten haben würde. Der Mann begann dort gerade mit seiner Handarbeit und Laura reichte ihm Fleischstücke zu.
»Laura, ich müsste dich mal kurz sprechen«, bat Walter auffordernd, »draußen.«
Verwundert sah Laura Walter an. »Stimmt was nicht mit dem Fleisch? Haben wir doch Trichinen?«, fragte sie vorsichtig, als sie auf dem Hof standen.
»Nein, nein. Es ist was anderes.« Er blickte kurz in Judiths Richtung. »Laura, ich brauche deine Hilfe. Ich kann hier nicht weiter mitmachen. Man hat am Teich eine Leiche gefunden.«
»Was? Nein!« Worauf sich Lauras Protest bezog, war nicht klar. »Wen?«
»Keine Ahnung. Aber ich muss schnell los.«
Was blieb Laura übrig? Mit dem Schlachten aufhören konnten sie ja schlecht. Irgendwie mussten sie es hinbekommen. »Ich brauche mindestens noch einen Mann, Walter. Und unser Schlachtermeister wird auch nicht begeistert sein.«
»Alfi Schuler?«, schlug Walter in seiner Not vor.
»Also wirklich!«
»Wen hast du denn in petto?«
»Niemanden! Aber wie sollen wir das denn schaffen?«, wurde es Laura langsam etwas mulmig zumute.
»Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm, und ich kann immer mal vorbeikommen«, tröstete Walter sie beide mit einer unsinnigen Hoffnung.
Denn es war schlimm. Und es würde noch schlimmer werden.
~ 7 ~
»Also ich ziehe an dem Rad, das Wasser ist saukalt, das Teil ist irre schwer, und als ich den Lenker fast raus hatte, sah ich den Arm.«
»Und wo ist der Arm jetzt, Leon?«, fragte Walter Dreyer nach.
»Mann, das Eis ist gebrochen, da ist er mir wieder weggerutscht!«
Sie saßen zu dritt in der Küche vom Gutshaus bei einem starken Tee, der in Leons Glas zur guten Hälfte aus Rum bestand. »Mir ist immer noch kalt.« Er nahm einen kräftigen Schluck. »Wie der Kleine das bloß ausgehalten hat?«
»Leon, welcher Kleine?« Walter sprach geduldig auf ihn ein. Er hoffte immer noch, irgendeinen Sinn in der Geschichte entdecken zu können, die ihm Judith auf dem kurzen Herweg erzählt hatte.
»Na, Fritzi!«
»Fritzi!?«, gab Judith Brunner verwundert ihre bisherige Zurückhaltung auf.
»Sie kennen ihn?«, vermutete Leon Ahlsens.
»Nein, nein. Ich dachte nur, dass das, hm, der Kosename für ein Mädchen ist.«
Leon war auskunftsfreudig: »Es ist so ein kleiner Bengel, wohnt hinter der Gärtnerei. Ich hab’ ihn schon öfter gesehen und ...«
»Ich weiß, wer Fritzi ist, Leon. Was hat er hiermit zu tun?«, versuchte Walter Dreyer erneut, eine zusammenhängende Geschichte zu bekommen.
»Es ist sein Rad. Ach nein, das von Dany«, grinste Leon dabei Judith Brunner an.
»Auch ein kleiner Junge aus dem Dorf?«, fragte sie zurück.
»Nein, seine Schwester!«
Nun mischte sich Walter wieder ein: »Leon, erzähl bitte noch mal ab da, wo du aus dem Haus bist.«
»Noch mal?«
»Ja!« Judith Brunner und ihr Kollege hatten im Chor geantwortet.
»Also gut. Nach dem Frühstück bin ich raus, musste mich etwas bewegen und nachdenken. Es war ein herrlicher Morgen, die Sonne schien ...«
»Leon!«, ermahnte ihn Dreyer.
»... und ich trällerte vor mich hin, da hörte ich ein Kind laut ›Mama‹ rufen. Erst dachte ich, ich hätte mich verhört, dann rief es noch einmal. Es klang erbärmlich. Also lief ich in die Richtung und sah nur eine graue Kunststoffplane, so eine zum Abdecken. Und die bewegte sich. Als ich drunter sah, zappelte dort ein Sack. Der Kleine weinte und ich kriegte ihn nicht rasch genug raus. Der Sack war fest zugebunden. Na, jedenfalls hatte ich es dann geschafft, habe den Nackedei warm in meine Jacke eingepackt, ihn geschnappt und bin hierher. Ab in die Badewanne, eine Tafel Schokolade und nun schläft er in meinem Bett.«
»Und der Arm?«
»In der Wanne beruhigte Fritzi sich. Er erzählte mir, dass sie auf dem Eis spielen waren, dass er mit dem Fahrrad eingebrochen sei, dass seine Mama schimpfen würde, und da fing er wieder an, zu weinen. Da habe ich ihm versprochen, das Fahrrad wieder rauszuziehen. Er tat mir leid. Ab da ging’s ihm viel besser.«
»Und der Arm?« Walter Dreyer fragte ganz ruhig nach. Würde Leon irgendwann zur Sache kommen? Es war zum Haare ausraufen.
»Na, ich bin also auf allen vieren hin zum Eisloch, hab mich hingelegt und reingelangt. Und
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