Eisige Umarmung (German Edition)
auf Sie. Und es ist wahr“, sagte er, als der Ärger wieder aus ihr herausbrechen wollte, „dass Sie mich in Versuchung führen. Aber das hat keine Bedeutung.“
„Wie können Sie so etwas sagen?“ Sie legte ihre Hand auf sein Handgelenk, versuchte aber nicht, seinen Griff zu lösen. „Sehen Sie sich doch an. Auf niemand anderen reagieren Sie in dieser Weise. Nur auf mich.“
„Ich weiß. Und wenn ich weiter so reagiere, werde ich am Ende entweder Sie oder einen anderen Unschuldigen töten.“ Er ließ sie los und trat einen Schritt zurück.
„Töten?“ Erstaunen und Unverständnis wischten den Ärger fort. „Warum haben Sie Angst, Sie könnten jemanden töten?“
Er ging zur Tür, nahm seine Jacke und zog die Stiefel an. „Gehen Sie zu Bett.“
„Judd!“ Sie stampfte mit dem Fuß auf. „Weglaufen ist keine Lösung.“
Er machte die Tür auf und ging hinaus in die Kälte. Schneeflocken fielen auf seine Haare, und der Wind brannte auf seinem ungeschützten Gesicht, aber er nahm es kaum wahr, mit seinen Gedanken war er immer noch in der Hütte. Heute Abend war er erschreckend nah davor gewesen, mit Silentium zu brechen, und hatte tatsächlich heftigste Wut verspürt. Der Zorn eines TK-Medialen mit seinen Kräften war ganz und gar nicht normal – das hatte er bereits als Zehnjähriger an der Leiche eines Jungen herausgefunden.
Brenna zu verlassen war vielleicht keine Lösung, aber wenigstens war sie so in Sicherheit. Vor ihm. Er spürte immer noch ihre Haut unter seinen Fingerspitzen – warm, weich und so leicht zu berühren. Er biss die Zähne zusammen und ging weiter in die kalte Winternacht hinein, der Schnee würde das Feuer kühlen, das in seinem eiskalten Herzen brannte.
Brenna zog ihre Stiefel aus und warf sie gegen die Wand. „Männer!“ Sie überlegte kurz, ob sie Judd hinterherlaufen sollte – selbst in menschlicher Gestalt war sie sehr schnell –, verwarf dann aber wütend den Gedanken. Sie hatte es satt, immer den ersten Schritt zu tun. Sollte er doch einmal diese Rolle übernehmen.
Allerdings war er zwei Stunden später immer noch nicht wieder aufgetaucht. „Schön“, sagte sie und drehte sich im Bett um. „Ganz wie er will, dann werde ich morgen eben abreisen.“ Wie konnte er es wagen, so mit ihr zu sprechen?
Sie müssen erkunden, was hinter diesen Gefühlen steckt.
Die Worte gingen ihr nicht aus dem Kopf, so sehr sie auch versuchte, sie zu vertreiben. Tat sie das wirklich – benutzte sie Judd, um ihre Ängste zu überwinden? Denn sie hatte Angst. Alle glaubten, sie sei so mutig und stark, weil sie nicht verrückt geworden war. Beinahe hätte sie laut aufgelacht, aber nicht vor Freude. Sie war gebrochen, Judd mochte sagen, was er wollte. Enrique hatte ihren Geist zerstört, sie misstrauisch gemacht und in die Isolation getrieben. Früher war es so leicht für sie gewesen, jemandem die Hand zu reichen, zu lächeln, Freude zu empfinden.
Jetzt sah sie mit Schrecken, wie schwach er sie gemacht hatte. Sie war bereit, einen Mann zu benutzen, um ihren Mut wiederzufinden. Und Judd Lauren war schon mehr als genug benutzt worden. Sie brauchte nicht alle Einzelheiten zu kennen, um Bescheid zu wissen. Die Wahrheit lag in den Schatten hinter seinen Augen – er erwartete, dass sie verschwand, nachdem sie sich genommen hatte, was sie brauchte.
Brenna schlang die Decke fester um ihren Körper, doch sie konnte die Kälte aus ihrem Herzen nicht vertreiben. „Nein, das ist nicht der Grund.“ Es spielte keine Rolle, dass Judd ein Medialer war, dann hätte sie auch zu Walker gehen können. Der war zwar auch ein Medialer, aber viel zugänglicher. Aber zog Judd sie vielleicht gerade deshalb an, fragte ein anderer Teil von ihr, weil er so verflucht gefährlich war, hart genug, um es mit ihren Dämonen aufzunehmen?
„Und wenn er mich doch nur anzieht, weil ich so Schreckliches erlebt habe?“ Der Kampf gegen das Böse hatte sie verändert, sie hatte einen Teil ihrer Unschuld verloren. Aber sie hatte auch etwas gewonnen: Sie wusste nun, wer sie war und was sie ertragen konnte. Diese neue Frau fand Judd Lauren anziehend.
Noch vor Kurzem jedenfalls. Im Moment war sie viel zu wütend auf ihn.
13
Judd kehrte erst zurück, als er sicher sein konnte, dass Brenna fest schlief. Er fand sie zusammengerollt unter ihrer Decke vor dem Kamin, auf einem Feldbett, das sie offensichtlich in diesem Lager gefunden hatte. Sie bewegte sich, als die Tür mit einem leisen Klicken ins Schloss fiel, und er
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