Eisiges Blut
gekündigt – und über die Seattle Mariners. Gillespie und Michael sahen sich gelegentlich ein Spiel im Safeco-Stadion an. Über Kristin sprachen sie nicht. Michael wusste, dass Gillespie das Thema absichtlich mied. Der Umschlag blieb ebenfalls unerwähnt, bis Michael das letzte Eigelb mit dem Brötchen vom Teller wischte und das Thema schließlich selbst anschnitt.
»Okay, ich habe angebissen«, sagte er und gestikulierte mit
dem Rest des Brötchens in der Hand. »Die Ungewissheit bringt mich noch um.«
Einen Augenblick lang tat Gillespie, als wüsste er nicht, was Michael meinte.
»Ist das das Layout für meine Story über den Yellowstone?«
Gillespie blickte auf den Umschlag hinunter und verzog das Gesicht, als versuchte er immer noch, zu einer Entscheidung zu kommen. »Nein, die Story ist schon letzten Monat erschienen. Es sieht aus, als würdest du nicht einmal mehr das Magazin lesen.«
Michael fühlte sich ertappt, denn es war die Wahrheit. In den letzten Monaten hatte er so gut wie nie die Post aufgemacht, E-Mails angeschaut oder Leute zurückgerufen. Jeder verstand den Grund dafür, doch Michael hatte das Gefühl, dass man langsam die Geduld mit ihm verlor.
»Ich denke, du solltest es dir einmal ansehen«, sagte Gillespie und schob den Umschlag über den Tisch.
Mit der Serviette wischte Michael sich die Finger sauber, dann öffnete er das Päckchen und zog die Papiere hervor. Es handelte sich um Fotos, von denen einige schwarz-weiß waren und aussahen wie Aufnahmen von einem Aufklärungssatelliten, sowie einen Stapel Papiere mit dem Namen und dem Logo der National Science Foundation. Bei vielen von ihnen stand »Point Adélie« in der Datumszeile.
»Was ist Point Adélie?«
»Eine winzige Forschungsstation. Sie untersuchen alles, von Klimaveränderungen bis zur lokalen Biosphäre.«
»Und wo liegt diese Station?«, fragte Michael und griff nach seinem Kaffee.
»Am Südpol. Oder zumindest so weit wie möglich in seiner Nähe. Außer ein paar Adéliepinguinen wohnt dort niemand.«
Michaels Kaffeetasse schien mitten in der Luft stehen zu bleiben, und er spürte, wie sein Puls schneller wurde.
»Ich habe Monate gebraucht, um alles vorzubereiten und die
nötigen Genehmigungen zu bekommen«, fuhr Gillespie fort. »Du kannst dir nicht vorstellen, mit wie vielen Behörden und Formularen man sich herumschlagen muss, um jemanden auf diese Station schicken zu können. Gegen die NSF ist die CIA geradezu entgegenkommend. Aber jetzt haben wir es geschafft. Wir dürfen einen Reporter für einen Monat nach Point Adélie schicken. Ich plane einen Artikel über acht bis zehn Seiten, vier Farbfotos, etwa drei- oder viertausend Wörter Text. Das volle Programm.«
Um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, nippte Michael an seinem Kaffee.
»Um deiner Frage zuvorzukommen«, fuhr Gillespie fort, »wir zahlen das übliche Zeilenhonorar, aber bei den Bildern kann ich noch ein bisschen was für dich rausholen. Und wir kommen für alle Unkosten auf, so weit sie sich im vernünftigen Rahmen bewegen.«
Noch immer wusste Michael nicht, was er sagen oder denken sollte. Viel zu viel ging ihm durch den Kopf. Seit der Katastrophe in den Kaskaden hatte er nicht mehr gearbeitet oder auch nur an die Arbeit gedacht. Er war nicht sicher, ob er schon bereit war, sein altes Leben wieder aufzunehmen. Gleichzeitig spürte er, dass sein Stolz empfindlich verletzt war. Wenn Gillespie das Projekt monatelang vorbereitet hatte, warum erwähnte er es erst jetzt?
»Bis wann braucht ihr den Artikel?«, fragte er.
»Das ist der Haken an der Sache. Du müsstest am Freitag aufbrechen.«
»Jetzt Freitag?«
»Ja. Es ist nicht einfach, dahinzukommen. Zuerst fliegst du nach Santiago de Chile und von dort weiter nach Puerto Williams. Ein Schiff der Küstenwache bringt dich so weit, wie das Eis es erlaubt, und den Rest des Weges legst du im Helikopter zurück. Du brauchst ziemlich viel Glück, damit alles klappt wie geplant, und das Wetter kann dir jederzeit einen Strich durch die
Rechnung machen. Im Moment ist da unten Sommer, so dass es an manchen Tagen sogar über null Grad sein dürfte.«
Schließlich konnte Michael sich die Frage nicht länger verkneifen. »Warum hast du mir nicht schon früher davon erzählt?«
»Ich wusste, dass du dich bis jetzt nicht für die Arbeit interessiert hast.«
»Wer ist es?«
»Wer ist was?«
»Komm schon, Joe. Du planst die Sache schon seit Monaten. Wen hattest du dafür eingeplant?«
»Crabtree. Er sollte es
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