Eisiges Blut
entsprach und dass jeder sich auf diese Weise kleidete. »Oft trägt man sogar noch weniger«, sagte er und fragte sich, was sie wohl von der ersten Inlineskaterin im Bikini halten würde, die an ihnen vorbeikäme. Als sie schließlich nachgab und mit hochrotem Kopf ins Zimmer kam, raubte ihr Anblick ihm den Atem.
Selbst so früh am Morgen herrschte am Ocean Drive reger Verkehr. Eleanor scheute vor den Bussen zurück, als handelte es sich bei ihnen um feuerspeiende Drachen. Die Autos, der Lärm, die Verkehrsampeln waren einfach zu viel, und Eleanor klammerte sich an seinen Arm wie an einen Rettungsring. Die Wärme, die sie durch das Bad aufgenommen hatte, schwand schnell wieder. Michael stellte fest, dass ihre Hand kühl war.
In Point Adélie hatte sie ihm anvertraut, dass das, wonach sie sich am meisten sehnte, die heiße Sonne in ihrem Gesicht war, und er wollte ihr unbedingt den Sonnenaufgang über dem Ozean zeigen.
Sie waren gerade an einem Fußgängerübergang stehen geblieben, als ein Verkäufer einen kleinen Karren mit italienischem Eis an ihnen vorbeizog. Um diese Zeit waren sie fast die einzigen Fußgänger, und der Mann warf ihnen einen hoffnungsvollen Blick zu. Ebenso gut hätte er Dynamit verkaufen können. Michael zog Eleanor instinktiv fort, und der Verkäufer sah ihn an, als sei er
verrückt. Aber Michael kannte die Regeln, und er wusste auch, dass er niemals in der Lage sein würde, seinen Posten aufzugeben. Er würde stets wachsam sein müssen, und bis es an der Zeit war, ihr auch den Rest des Geheimnisses zu enthüllen, würde er außerdem noch verschwiegen sein müssen. Aber warum sie belasten, in diesem Moment, in dem sie vielleicht wieder so etwas wie Glück erleben könnte? Diese Last konnte er allein tragen.
Als sie die Straße überquerten und durch die stoppeligen Dünen liefen, hellte sich der dunkelviolette Himmel auf und wurde von einem rosigen Schimmer überzogen. Michael führte sie unter den hoch aufragenden Palmen hindurch, die im Seewind schwankten, und weiter bis zum Wasser. Als die Sonne über dem Horizont aufging, setzten sie sich in den weißen Sand und sahen einfach nur zu. Die Sonne stieg am Himmel empor, verwandelte den Ozean in einen silbernen Spiegel und färbte die Wolken rubinrot. Eleanors grüne Augen glitzerten im Morgenlicht, und als ein grau-weißer Fischadler im Tiefflug über das Wasser hinwegflog, folgte sie ihm mit den Blicken. Erst jetzt fiel ihm ihr wehmütiges Lächeln auf.
»Was ist los?«, fragte er.
»Ich musste gerade an etwas denken«, erwiderte sie. Das lange braune Haar, das vom Bad noch feucht war, hing offen über ihre Schultern. »Ein Lied, aus längst vergangener Zeit.«
»Wie geht es?« Er spürte, wie ihre Finger sich in seinen verschränkten. Hier in der Morgensonne waren sie spürbar wärmer. Der Fischadler stürzte zwischen den anrollenden Wellen ins Meer.
»›Und dort am Ufer des Meeres‹«, zitierte sie beschwingt, »›wirst du Kokosnusspalmen sehen, so hoch wie St. Paul’s, und Sand, so weiß wie die Felsen von Dover.‹«
Sie ließ den Blick über den weiten Horizont und den breiten weißen Strand schweifen. »Und so«, sagte sie und drückte seine Hand, »ist es gekommen.«
Dank
Beim Schreiben eines Buches, besonders eines von diesem Umfang, muss man oft auf das Wissen von Freunden und Experten zurückgreifen. Ich danke François Sauzey, Carol Weston, Professor Roberto Véguez, Susan Williams und James Donlan. Außerdem danke ich Brooks Peel vom staatlichen Wetterdienst von North Carolina und Kapitän a.D. George Galdorisi von der US -Navy. Darüber hinaus bin ich der verstorbenen britischen Historikerin Cecil Woodham-Smith zu Dank verpflichtet, deren anerkanntes und fesselndes Werk
The Reason Why
eine große Hilfe für mich war, um über den Krimkrieg zu schreiben, sowie Gillian Gill, deren Biographie
Nightingales
eine außerordentlich wertvolle Forschungsarbeit über Florence Nightingale und ihre Krankenschwestern darstellt. Die Bemerkung einer Schwester über ihre Haube auf S. 351 ist ein Zitat aus Gills Buch, das
Letters from the Crimea
als ursprüngliche Quelle nennt.
Für mögliche Fehler bin ich natürlich selbst verantwortlich.
Ich hatte das Glück, mit Anne Groell eine großartige Lektorin für dieses Buch gefunden zu haben. Meine Agentin hat mich, wie immer, ermutigt, wenn meine Zuversicht nachließ. Danke, Cynthia Manson.
Über Robert Masello
Robert Masello, geboren in Evanston, Illinois, studierte Literatur in
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