Eiskalt Entflammt
Extremsituation aufzubrechen. Was oder wo es auch immer sein sollte. Vorsicht war besser als Nachsicht. Langsam sondierte sie die Lage und versuchte , das Fenster zu finden, unter dem die Kawa stand. Sie hatte sie nördlich geparkt, und da sie sich noch im Erdgeschoss befanden, müsste sie nicht einmal einen großen Sprung in Kauf nehmen.
„Das würde ich nicht tun.“
Ein tiefes Flüstern, getränkt von einem dunklen Timbre drang durch den Raum. Es kam aus der rechten Ecke, dort war es finster, es war wie ein toter Winkel. Der perfekte Ort, wenn man unerkannt bleiben wollte. Wie hatte sie das übersehen können? Verdammt noch mal, wo war ihre Aufmerksamkeit, ihr Instinkt für Gefahr? Das war der bestgeschützte Platz im Raum und sie hatte ihn nicht einmal bemerkt.
„Ich weiß, wo die Maschine steht und ich rate dir, es noch einmal zu überdenken . D u würdest den Kürzeren ziehen.“
Verflucht. Sie war es nicht gewohnt , durchschaut zu werden, noch dazu klang die Stimme gefährlich. Und auf Drohungen reagierte sie immer mit einer inneren Kampfhaltung. Was auch immer gerade in der Luft lag, versetzte sie in Aufruhr.
„Scar, beunruhige unseren Gast nicht, sondern stell dich angemessen vor.“
Emmet tadelte ihn mit einem Grinsen. Der Mann blieb die Ruhe selbst. Eigentlich ermutigend, doch das Gefühl wollte sich so gar nicht einstellen. Allein der Klang dieser fremden Stimme schärfte ihre Konzentration und ließ sie den Atem anhalten. Ein eisiger Schau d er stahl sich über ihren Rücken und ließ ihren Körper frösteln, obwohl die Atmosphäre zu glühen schien. Aus der Ecke löste sich ein dunkler Schatten, der sich auf sie zubewegte. Ihr war aufgefallen, dass der geheimnisvolle Mann mit dem Namen Elias in der Gruppe fehlte, den Namen Scar hatte sie bislang nicht auf dem Schirm. Es musste sich um ein und dieselbe Person handeln. Sie betrachtete den großen Schatten, der sie in höchste Alarmbereitschaft versetzte. Die SGU - Akte kam ihr wieder in den Sinn, kein Nachname, kein Foto, aber der Zusatz Special Cases . Als seine Gestalt ins Licht trat , wusste sie, warum sich dieser Mann im Dunkeln aufhielt. Er hatte eine erschreckende Präsenz. Düster, dunkel, eine undurchdring liche Ausstrahlung. Ein Gesicht, das aus zwei Hälften bestand, die unterschiedlicher nicht sein konnten. So markant, männlich und makellos die eine Hälfte war, so vernarbt war die andere. Unvorstellbar, welche Waffe die Wucht haben konnte, so einen immensen Schaden anzurichten. Sie schluckte, wollte sich aber nicht abschrecken lassen und sah ihm in die Augen. Schwarz wie die Nacht funkelten sie zurück, doch sie gab nicht nach. Er hatte sie überrumpelt und wollte sie offensichtlich aus dem Gleichgewicht bringen. Oder sie erschrecken . D as war ihm im ersten Moment auch gelungen, doch diesen Kampf würde sie gewinnen.
Gleich zu Anfang musste klar sein, was g ing und was nicht. Seine Augen glühten, als bestünden sie aus todbringender schwarzer Lava. Für eine gefühlte Ewigkeit bohrte sich sein Blick in ihre Augen. Unglaublich intensiv. Seine rechte Gesichtshälfte war zwar vernarbt, doch seine Haare, schwarz wie die Nacht, waren nicht betroffen. Es sah fast so aus, als hätte er sich einer Explosion zugewandt – mit fatalen Konsequenzen. Dünne, weiße Linien zogen sich wie ein Netz über die Haut, immer wieder durchbrochen von Furchen. Kein klares Muster erkennbar, demnach konnten es keine Schnittverletzungen sein. Sie vermutete Brandnarben. Aber trotz der unzähligen Male konnte man nicht behaupten , er sei unattraktiv. Eine Narbe zog sich über seine Oberlippe, betonte deren markanten Schwung und ließ seinen Mund verrucht aussehen. Ansonsten hatte er ebenmäßige Züge, ein männliches Kinn, die Haare trug er an den Seiten kurz und oben etwas länger. Die Komposition wurde nicht durch die Entstellungen gestört, sondern durch die finstere Ausstrahlung und die Ablehnung in seinen Augen. Wie konnte ein einzelner Mann eine solche Kälte ausstrahlen?
Jules trat vor , trennte den Blickkontakt und zog Lous Aufmerksamkeit auf sich.
„Genug der Begrüßung. Komm schon, ich führe dich kurz herum. Auch wenn wir die meiste Zeit unterwegs sind, hat jeder von uns einen Raum. Man kann es nicht Zuhause schimpfen, aber man hat ein wenig Privatsphäre.“
Noch bevor sie Einspruch erheben konnte, nahm Jules ihr Handgelenk . W ieder waren da diese unglaublich schnellen Reflexe der Blondine. Wie konnte sich jemand nur so schnell bewegen?
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