Eiskalt Entflammt
Gespenstisch. Nachdem sie ihre Hand aus dem Griff gewunden hatte, folgte sie Jules. Sie fühlte den Blick des gezeichneten Mannes im Rücken und brauchte ihre ganze Beherrschung , um sich wieder auf Jules zu konzentrieren. Normalerweise hasste sie Geplapper, aber bei ihr wirkte es ehrlich und erfrischend, auch wenn ihr sehr wohl bewusst war, dass diese spontane Zimmerführung nur ihrem Schutz diente. Damit Scar nicht noch unhöflicher wurde.
„Das ist mein Zimmer, fühl dich wie zu H ause.“
Am Ende eines langen Korridors in der ersten Etage präsentierte Jules stolz einen kleinen Raum. Bis auf ein Bett und eine n Schrank war in diesem Zimmer nichts normal. Eine Wand erinnerte an das Waffenarsenal der kompletten New Yorker Polizeidienststelle. Die Messer- und Schwertsammlung war bemerkenswert.
„Ich bin eine passionierte Sammlerin, viele davon sind Einzelstücke.“
Das war beeindruckend. Wenn sie die Akte nicht gelesen hätte, hätte sie gedacht, sie sei im Versteck eines verfluchten Attentäters gelandet.
Jules nahm ein verziertes Schwert aus einer Halterung und drehte es liebevoll zwischen ihren Händen. Jede Bewegung spiegelte Ehrfurcht vor der Klinge, war präzise und unglaublich flink. Sicherlich war Jules mit jeder dieser Waffen ein todbringender Gegner.
„Das hier ist aus Japan, eine Maßanfertigung. Lukas hat es mir geschenkt. Die Jungs wirken am Anfang etwas ruppig, aber das täuscht. Sie machen immer erst einen auf dicke Hose, das vergeht mit der Zeit.“ Grinsend warf sie sich mit dem Schwert auf das Bett und landete galant im Schneidersitz mit der Waffe auf ihren Beinen. Die geborene Artistin. „Ich habe gehört, du stehst auf Sprengstoff. Wie kommt’s?“
Lou suchte das Zimmer nach persönlichen Gegenständen ab, fand aber nur hier und da eine Kleinigkeit. Das Intimste schienen die diversen Messer, Schwerter und Degen zu sein.
„Kleine Ursache, große Wirkung.“ Langsam entspannte sie sich. Über ihre Arbeit sprach sie gern, es erforderte weniger Feingefühl als zwischenmenschliche Gespräche. „Aber ich bin besser darin, Bomben zu entschärfen, als zu bauen.“
„Das Zeug ist doch unberechenbar.“
Lou stand vor den Messern und konnte sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen , und das war wirklich ein Ereignis, denn so viel gelächelt wie hier hatte sie wahrscheinlich im ganzen Jahr nicht. Doch jemandem mit dieser Zimmerausstattung beizubringen, dass ihr riskanter Beruf ihr mehr gab als Adrenalin, war schon etwas absurd. „Ich denke, ich habe ein gutes Händchen, was explosives Material angeht.“
Jules lachte auf. „Das hat man gesehen, du scheinst neue Herausforderungen anzuziehen. Scar ist sicherlich explosiv genug . E r ist manchmal etwas schroff, nimm es nicht persönlich.“
War er der fehlende Funke im Gemisch? Explosiv empfand sie ihn allerdings nicht, eher geheimnisvoll. Seine dunklen Augen kamen ihr in den Sinn. Elias, sein Name hallte in ihren Gedanken nach. Das war sein richtiger Name. Und der klang viel schöner und weicher, sie mochte den Namen. Es nahm ihm diese Härte, die er aussandte, oder ausstrahlen wollte. „Warum nennt ihr ihn nicht bei seinem richtigen Namen?“
Jules blickte betreten auf das Schwert in ihrem Schoß und betrachtete die Spiegelung auf der Klinge. „Dir ist doch sein Gesicht nicht entgangen, oder? Und wenn du seine Persönlichkeit dazu addierst, ähnelt er Scarface schon ein wenig. Normalerweise spricht er kaum, bleibt für sich. Aber er ist der verdammt beste Scharfschütze , den ich kenne. Falls du mal Rückendeckung brauchst, ist er der Richtige. Ein Schuss, ein Treffer, keine Fehler. Und zwar schnell und sauber, ihm entgeht nichts. Ich würde meine Hand für jeden der Jungs ins Feuer legen, aber bilde dir deine Meinung selbst. Komm, ich zeig dir dein Zimmer. Es ist gegenüber vom Trainingsraum, der im Übrigen super ist. Es hat seine Vorteile, wenn man die Drecksarbeit für die Regierung macht.“
Wieder wechselte ihre Stimme unfassbar schnell die Richtung . Lou drehte sich um, doch Jules saß nicht mehr auf dem Bett, sie stand vor der Tür. Wie machte sie das?
Im nächsten Geschoss befand sich Lous Raum. Ähnlich geschnitten wie Jules ’ Zimmer, sogar die Ausstattung war beinahe gleich – bis auf die Messerwand. Zusätzlich zu einem Bullauge über dem Bett gab es noch ein größeres Fenster, von dem man auf die angrenzende Bucht blicken konnte. Sie musste zugeben, hier konnte man sich wohlfühlen.
„Befinden sich noch mehr
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