Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
Frequenz in letzter Zeit deutlich abgenommen hatte. Auch hier geisterten seine zwei Welten herum und kamen sich in die Quere. Miriam gehörte seiner Vergangenheit an, dem Teil seines Lebens, den er mit Huren und Taschendieben verbracht hatte. Andererseits spielte sie auch in seinem jetzigen Leben eine Rolle, aber dieses Leben war komplizierter geworden. Er war sich nicht mehr sicher, was sie voneinander erwarteten und wollten.
Alles an Miriam war gepflegt und appetitlich, von der Klarheit ihrer Haut bis zum Duft ihres Atems, der frisch und einladend war. Sie hatte ein gutes Gespür für Schönheit, vor allem für ihre eigene. Er musste an Felix denken. Er fand sie hübsch, konnte sich aber selbst nicht erklären warum. Sie hatte keine weiblichen Kurven und kleidete sich auch nicht so sexy wie Miriam. Aber er sah eine Leidenschaft in ihr brennen.
Er folgte ihr ins Wohnzimmer mit den weichen Möbeln, während der Anblick von Ramses’ Leiche immer mehr verblasste. Stinger war in guten Händen. In diesem Moment konnte er nicht mehr tun, als sich zurückzulehnen und zu warten.
»Erzähl, wie geht es dir?«
Sie hatte ihn sanft in einen der tiefen Sessel gedrückt, Kaj lag schon längst auf seinem Stammplatz unter dem Couchtisch und hatte sich auf dem Teppich zusammengerollt.
Miriam schleuderte ihre hochhackigen Pumps von den Füßen und vergrub diese im Fell des Hundes.
»Uh, ist das kalt heute. Das zieht auch durch alle Ritzen hier.«
Sie massierte Kajs Rücken mit ihren Zehen. Peter stand auf und hielt eine Hand vor das einfach verglaste, sechsteilige Altbaufenster. Es war alt, morsch und verschlissen. Und es zog gewaltig. Einige der Fenstergläser hatten Risse und Löcher und große Flächen waren mit Kondenswasser bedeckt.
»Ihr braucht dringend neue Fenster!«
»Sag das mal Lulu. Sie sagt immer, dass wir uns das gerade nicht leisten können – die Krise!«
»Ich kann die doch zum Einkaufspreis bekommen und baue sie euch ein. Hast du mal einen Zollstock?«
Er nahm Maß und notierte sich die Zahlen in seinem Notizblock.
»Du hättest das schon viel früher sagen sollen. Habt ihr noch mehr davon?«
Sie ließ sich wieder aufs Sofa fallen und klopfte auf den Platz neben sich, und er setzte sich neben sie.
»Erzählst du mir, was passiert ist, oder soll ich es erraten?«, fragte sie ihn.
Eigentlich wollte er das Ganze einfach nur vergessen. Aber Miriam beherrschte die Kunst des Fragens.
»Vielleicht kann ich dir dabei helfen.«
Das war gar nicht so unwahrscheinlich. Er lehnte den Nacken gegen die Rückenlehne und begann zu erzählen. Von der Nachbarin; von Stingers plötzlichem Erscheinen; von Ramses’ Leiche.
»Das ist typisch für dich.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Du hast eine solche Scheißangst, mit der Polizei zu tun zu haben, und machst dadurch alles nur viel schlimmer. So ein Mist! Du musst denen sagen, dass du ihn gekannt hast!«
Sie lächelte und erhob sich.
»Ich habe heute meinen freien Tag. Wir könnten ein bisschen Spaß miteinander haben.«
Er zögerte und sie bemerkte es sofort.
»Sieh es doch als eine Art Anzahlung für die Fenster.«
Er schüttelte den Kopf.
»Dann einfach als ein gegenseitiges Geschenk zu Neujahr.«
»Lieber nicht.«
In der Art, wie sie das sagte, klang alles so leicht und einfach. Aber vor seinem inneren Auge tauchte ständig ein schmales Gesicht mit dunklen Augen auf und eine Stimme, die ihn als Lügner bezeichnete.
»Vielen Dank«, fügte er hinzu. »Ein andermal.«
Sie zuckte mit den Schultern und versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Dann ging sie in die Küche und begann mit den Essensvorbereitungen. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt und arbeitete mit wütenden, ruckartigen Bewegungen. Aber sie beruhigte sich genauso schnell wieder und kehrte schließlich mit einer Flasche Sekt und zwei Gläsern zurück.
»Schließlich ist Neujahr und wir haben uns so lange nicht gesehen. Also, Skål!«
Seine letzte Tour nach Århus war drei Wochen her.
»Ramses«, sagte er nach dem ersten Schluck, »was weißt du über ihn?«
Sie drehte das Sektglas, bis die Bläschen tanzten und an die Oberfläche sprudelten.
»Auch nicht viel mehr als du«, sagte sie. »Schürzenjäger. Dachte fast ausschließlich mit dem Schwanz, mehr als die meisten Männer.«
Sie lehnte sich an den Türrahmen zur Küche und schaute zu ihm. »So etwas macht einen Mann unvorsichtig.«
»Gibt es was Bestimmtes, was du mir über ihn erzählen kannst?«
Sie zuckte mit den Schultern.
Weitere Kostenlose Bücher