Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
klingelte.
»Polizei Grenå, Bille Hansen.«
Es sollte ein Neujahrsmorgen werden, den er nicht so schnell vergessen würde, dachte er sich, als er dem Bericht des Anrufers zuhörte, der sich als Peter Boutrup vorstellte. In sachlichem und ruhigem Ton gab er an, dass sein Hund eine Leiche am Fuß der Gjerrild Steilküste gefunden habe. Der Mann habe ein Schussloch im Rücken.
Mark beendete das Gespräch, rief Jepsen an und gab ihm einen knappen Überblick über die Lage.
»Fahr in den Nørrevang und befrag die Eltern von dieserNina. Der Hundesuchtrupp aus Århus wird auch jederzeit eintreffen. Sie wissen, worum es geht, und können sofort loslegen. Wenn was ist, bin ich auf dem Handy zu erreichen, okay?«
Jepsen blinzelte wie ein verschrecktes Tier. Seit sechs Wochen arbeiteten sie zusammen und er schien nach wie vor überrascht, wenn Mark ihm Anweisungen gab. Wie lief es hier in Djursland sonst ab? Mal ein Drink und Süßholzgeraspel? Ein jovialer Klaps auf die Schulter? Das beherrschte er beides nicht.
Jepsen nickte ihm mit geröteten Augen zu. Mark hoffte, dass die Silvesterparty dafür verantwortlich war und diese wilder ausgefallen war als seine eigene Neujahrspleite.
»Ich fahre raus zur Steilküste und sehe mir die Sache mal an. Aber die anderen rücken bestimmt bald alle nach: Rettungswagen, Rechtsmediziner, Kriminaltechniker. Alle, die das können, was wir nicht können.«
Jepsen nickte erneut, mittlerweile mit Panik in den Augen, wahrscheinlich wegen der enormen Gästeliste, die ihm Mark soeben aufgezählt hatte. Richtig begeistert war Mark auch nicht davon. Er zog sich seine Jacke an und ließ seinen Blick ein letztes Mal durchs Büro streifen. Er hätte sich doch für die Karriere beim Militär entscheiden sollen.
»Wir hören voneinander.«
Mit ein bisschen zu viel Nachdruck zog er die Tür hinter sich zu. Århus! Er nahm mehrere Stufen auf einmal und versuchte seinen Ärger darüber zu unterdrücken, dass schon bald Kollegen aus der zweitgrößten Stadt des Landes in den Fluren herumrennen würden, um einen Fall aufzuklären, den er mit einer größeren Mannschaft auch selbst hätte lösen können. Er zweifelte aufrichtig daran, dass einer der Kommissare aus Århus über eine größere Expertise verfügte, als er im Laufe von acht Jahren in Kopenhagen hatte erwerbenkönnen. Aber es half ja nichts. Er musste sich an seine Rolle gewöhnen, ein Dorfpolizist zu sein, ohne besondere Befugnisse bei der Aufklärung eines Mordfalles.
K APITEL 5
Peter folgte der Gestalt mit der schwarzen Daunenjacke, die am Strand auf und ab lief. Sie wollte einfach nicht nach Hause gehen. Er würde bleiben und auf die Polizei warten, hatte er vorgeschlagen. Es war nicht zu übersehen, dass es ihr nicht gut ging. Aber nein. Sie wollte nicht weg, sie konnte sich auch nicht von Ramses losreißen, der aussah, als würde er tierisch frieren, obwohl einem der Verstand das Gegenteil sagte.
Peter betrachtete den Toten und verfluchte ihn. Er war ein netter Kerl gewesen, aber nicht mit besonders viel Intelligenz gesegnet. Und jetzt hatte dieser Mangel an Gehirnzellen ihm offensichtlich das Leben gekostet. Das Problem war nur, dass es ausgerechnet hier passieren musste, vor seiner Haustür. Er war in sein Leben geplatzt, das er sich hier aufbauen wollte, ohne immerzu an seine Vergangenheit erinnert zu werden. Das war sein Plan gewesen: zurückgezogen mit seinem Hund; Abende mit guten Freunden, wenn es sich ergab; sein Beruf, den er gerne ausübte; die Natur; und vielleicht irgendwann einmal in ferner Zukunft ein normales Familienleben, das er selbst nie hatte erleben dürfen. Und plötzlich liegt Ramses im Wasser und er ist gezwungen, die Bullen einzuschalten, denen er am liebsten für immer aus dem Weg gehen wollte.
»Die Polizei kommt.«
Die kalte Luft verstärkte alle Geräusche. Ein Auto kämpfte sich oben an der Kante durch den Schnee. Es klang, alswürde es vor Wut explodieren. Sie hatten nur wenige Worte gewechselt, kurze Sätze, sie hatte Kaj höflich am Kopf gestreichelt. Das hörte abrupt auf.
»Gehen Sie doch hoch, dann bleibe ich solange hier unten?«, schlug sie vor.
Er nickte und stieg den Abhang hoch, um die Polizisten in Empfang zu nehmen. Der Polizist – denn es hatte nur einer im Wagen gesessen – stellte sich als Mark Bille Hansen von der Polizei Grenå vor. Er hatte schulterlanges schwarzes Haar wie ein Indianer und markante Gesichtszüge, die so gar nicht dänisch aussahen. Da er nicht besonders
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